Seit Beginn des 20. Jahrhunderts existiert in Georgien eine sehr aktive Filmszene, die ganz eigene Filmsprachen und Stile hervorgebracht hat. Aufgrund des spezifischen Interesses des Arsenal-Gründerehepaars Erika und Ulrich Gregor am georgischen Kino gab es in der Geschichte des Arsenal und des Berlinale Forum seit den 1960er Jahren entsprechende Schwerpunktsetzungen. Dies führte dazu, dass das Arsenal heute, neben dem staatlichen Filmarchiv Gosfilmofond in Moskau, die weltweit größte Sammlung georgischer Filme außerhalb des Landes besitzt.
Zur Sammlung zählen u.a.: 26 KOMISARI (26 Komissare) Nikolos Schengelaja, 1932; XIX SAUKUNIS KARTULI KRONIKA (Georgische Chronik des 19. Jahrhunderts) Alexandre Rechwiaschwili, 1978; DEDUNA (Leuchtkäferchen) Dato (David) Dshanelidse, 1987; DGE (Der Tag) Lewan Glonti, 1990; GSA SCHINISSAKEN (Der Weg nach Hause) Alexandre Rechwiaschwili, 1981; IKO SCHASCHWI MGALOBELI (Es war einmal eine Singdrossel) Otar Iosseliani, 1970; TSISPERI MTEBI ANU DAUJEREBELI AMBAVI (Blaue Berge oder Eine unwahrscheinliche Geschichte) Eldar Shengelaia, 1983; WEDREBA (Das Gebet) Tengis Abuladse, 1967. Alle Titel sind in der Arsenal-Filmdatenbank aufgeführt.
Drei georgische Filme aus der Sammlung konnten mit Mitteln aus dem Kulturerhalt-Programm des Auswärtigen Amts digital restauriert, gesichert und durch Übernahme in den Kinoverleih der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werden. Die Filme sind:
DIDI MTSWANE WELI (Ein großes grünes Tal, 1967) von Merab Kokotschaschwili
Ein vom italienischen Neorealismus beeinflusstes Drama um einen Außenseiter im Spannungsfeld zwischen Tradition und Fortschritt: Der Hirte Sosana versorgt für seine Kolchose das Vieh in einem abgelegenen Gebirgstal. Im Land seiner Väter verwurzelt, lebt Sosana von der Nähe zur Natur und zu ihren Gesetzmäßigkeiten. Doch seine Frau Pirimse zieht es zu Menschen, die im Rhythmus der neuen Zeit leben, sie möchte sich von ihrem Mann, der ihr fremd geworden ist, trennen. Die Forderung des Kolchosvorsitzenden, Sosana müsse mit seiner Familie und dem Vieh in die neugebaute Stadt umziehen, da im Tal Erdölvorkommen gefunden wurden, setzt Sosana zudem unter Druck.
RAMDENIME INTERWIU PIRAD SAKITCHEBSE (Einige Interviews zu persönlichen Fragen, 1978) von Lana Gogoberidse
Sofiko geht ganz in ihrem Beruf auf. Als Journalistin interviewt sie unterschiedlichste Frauen zu ihren Lebensbedingungen und Wünschen, dass ihr eigenes Glück und ihre Familie darunter leiden, bemerkt sie zu spät. Feinfühlig erzählt Lana Gogoberidse in dokumentarisch anmutendem Stil und mit dynamischer Kameraführung von der Verzahnung des Privaten und des Politischen, die sich auch in den Erinnerungen Sofikos an die Mutter fortsetzt, die, für das Kind unverständlich, im Gulag verschwand. Mit seinem Fokus auf die alltäglichen Kämpfe einer emanzipierten Frau und der Reflexion über weibliche Lebensentwürfe gilt RAMDENIME INTERWIU PIRAD SAKITCHEBSE als einer der ersten feministischen Filme der Sowjetunion.
SGHWARZE (Am Rande, 1993) von Dito Tsintsadze
Ein Bürgerkrieg kündigt sich an. Der bewaffnete Konflikt steht kurz vor dem Ausbruch, die Vorzeichen sind unübersehbar, überall Aggressionen, Hass und Propaganda. Ein junger Physiker versucht, seine Unabhängigkeit zu bewahren, kapselt sich zunächst von seiner Umwelt ab, versucht mit seiner Freundin das Land zu verlassen, kann sich der Ereignisse letztlich doch nicht entziehen. Ohne direkte Bezüge auf sein eigenes Land oder regionale Konflikte Anfang der 90er Jahre entwirft Tsintsadse ein visuelles Niemandsland, das vor der Auflösung steht, und erzählt düster-lakonisch von einem Menschen, der unparteiisch sein möchte, jedoch erkennen muss, dass dies nicht möglich ist.
Das Projekt „Digitale Restaurierung und Sicherung georgischer Filme aus der Sammlung des Arsenal – Institut für Film und Videokunst e.V.“ wurde gefördert im Kulturerhalt-Programm des Auswärtigen Amts.