Eine Reise durch unterschiedliche Filmmaterialien: In ONE WEEK (USA 1920) versucht Buster Keaton gegen alle komischen Widrigkeiten und haarsträubenden Rückschläge ganz allein ein Haus aufzubauen. Die kurze Komödie wurde auf 35-mm-Filmmaterial gedreht, dem über Jahrzehnte hinweg gängigen Aufnahme- und Vorführformat. Zahlreiche Regisseur*innen wählten (auch) aus Kostengründen später das deutlich günstigere 16-mm-Material, um Filme machen zu können, so z.B. Marie Menken, die in GLIMPSE OF THE GARDEN (USA 1957) auf ihren Garten schaut. Margaret Tait macht sich in AERIAL (UK 1974) die Beweglichkeit der kleineren 16-mm-Kameras zunutze und löste sie vom Stativ. In ihrem digitalen Filmexperiment ILOX (D 2001) verfremdet Karø Goldt das Bild, um zu sehen, wie lange eine Blume noch als Blume wahrnehmbar ist. Zuletzt benutzt Liza Johnson in SOUTH OF TEN (USA 2006) ihr günstiges DV-Material so sparsam, als filme sie mit dem teuren 35-mm-Film von Buster Keaton. (Anna Faroqhi)
Bereits bei der ersten öffentlichen Filmvorführung im Jahr 1895 wurden die Filme von Klängen und Musik begleitet. Bevor wir eigene Klangexperimente machen und gemeinsam Ideen für einen Soundtrack zum Film HORSE OVER TEA KETTLE erfinden und live spielen, entdecken wir, was in sieben Kurzfilmen zu sehen und zu hören ist: FLUKE von Emily Breer (USA 1985) reist durch die Luft. HORSE OVER TEA KETTLE (USA 1962) von Robert Breer lässt Farben und Formen fliegen und in FLOCKENSPIEL I (Bärbel Neubauer, USA 1965) wirbeln sie über die schwarze Leinwand. In Len Lyes FREE RADICALS (USA 1958) tanzen Linien und Muster im Rhythmus der Töne. In SUSAN THROUGH CORN (Kathleen Laughlin, USA 1985) laufen wir durch ein Maisfeld und Gunvor Nelson lässt uns in MY NAME IS OONA (USA 1981) einem Mädchen lauschen. Wundersame Verwandlungen erleben wir mit LES PAPILLONS JAPONAIS (Segundo de Chomón, F 1908). (Eunice Martins)
Wann spielen wir? Wann lernen wir? Welches Lernen ist von Bedeutung für unser Leben und wer sind unsere besten Lehrer*innen? Dieser Frage gehen Filmemacher*innen seit jeher nach. Celeste Vargas sieht in BRINCANDO COM O SOL (Spiel mit der Sonne, Brasilien 2004) mit der Kamera zu, wie Kinder ein physikalisches Phänomen für ein Spiel mit der Sonne nutzen. Auch Steffen Ramlow interessiert sich in HOSCH-COURTYARD (D 2006) für das Spielen einer Gruppe von Kindern in Ramallah und rahmt es mit einem filmischen Kommentar. Peter Nestler lässt in seinem Film AUFSÄTZE (Schweiz 1963) die Kinder einer Schweizer Dorfschule selbst ihren Alltag beschreiben und Anna Faroqhi und Haim Peretz beobachten in KIRILL LERNT (D 2023) einen Jugendlichen, der trotz des Kriegs in der Ukraine engen Kontakt mit seinem Vater hält und dessen Handwerk lernt. Im Anschluss denken wir in einem Ad-hoc-Filmexperiment darüber nach, was das Lernen für uns selbst bedeutet. (Anna Faroqhi)
Rascheln, Rauschen, Echos, ferne Melodien: Das und mehr lässt uns die Tonspur seit Einführung des Tonfilms hören. Im frühen Kino haben Musiker*innen und Geräuschemacher*innen für den Ton im Kino gesorgt. Heute kommen die Klangwelten über mehrere Kanäle ins Kino. Bevor wir eigene Klangexperimente machen und zu LIGHTS (USA 1946) von Marie Menken spielen, entdecken wir, was in sechs Kurzfilmen zu sehen und zu hören ist: In LE MOBILIER FIDÈLE (Émile Cohl, F 1910) bleiben Möbel auf wundersame Weise ihrem früheren Besitzer treu. A MAN AND HIS DOG OUT FOR AIR (Robert Breer, USA 1957) entführt uns auf einen Spaziergang und WHAT MOZART SAW ON MULBERRY STREET (Rudy Burckhardt, Joseph Cornell, USA 1956) in eine Straße von New York. ANODYNE (Sheri Wills, USA 2002) und LOST (Karø Goldt, D 2003) experimentieren mit Farben, Formen und Klang. In KITCHEN BEETS (Bea Haut, GB 2019) erscheinen und verschwinden die Dinge des Alltags. (Eunice Martins)
Für alle ab 10 Jahren.
Moderation und Klangwerkstatt: Eunice Martins
Als Vorfilm beginnen wir mit dem zwei Minuten langen 16-mm-Film VORWÄRTS/RÜCKWÄRTS (2023), handbemalt von der siebenjährigen Luisa von Lucke zusammen mit Ute Aurand und live vertont von Frank Behnke. Danach sehen wir Tiere und Pflanzen mit anderen Augen, so wie es nur im Film möglich ist: In Zeitlupe platzen Samenkapseln auf, schleudern ihre Samen in die Luft, die langsam zur Erde segeln (VERBREITUNG VON SAMEN, 1956). Marie Menken schwenkt in GLIMPSE OF THE GARDEN (1957) mit ihrer Kamera ganz nah über Blumenbeete im Garten ihres Freundes Dwight Ripley. Dass Rollertauben in der Luft akrobatische Purzelbäume schlagen, zeigen Georg Rüppell und Wilhelm Möller in FLUG DER ROLLERTAUBEN (1986). Abschließend wird THIRD EYE BUTTERFLY (1968) mit zwei Projektoren gleichzeitig auf die Leinwand projiziert. Storm de Hirsch schickt uns ins Reich verwandelter Schmetterlinge mit tanzenden Farben und Formen. Den Film (die Kopie kommt aus New York) gibt es nur ganz selten auf der Leinwand zu sehen. (Ute Aurand/Robert Beavers)
Für alle ab 7 Jahren.
Die Arbeit der Filmvorführer*innen findet im Verborgenen statt. Was in der Projektionskabine im Rücken des Publikums passiert, bleibt so lange unbemerkt, wie keine Fehler passieren. Mit einer Projektionsperformance und einem Filmprogramm führt die Veranstaltung in die Kunst der Filmprojektion ein. Historische Fährten legt der Film PREMIÈRE SÉANCE (F 1995) von Philippe Truffault über die erste Kinovorführung der Brüder Lumière 1895 in Paris. Der quietschend-bunte, experimentelle COLORFILM (USA 1972) von Standish Lawder zeigt, wie Filmstreifen zu Musik durch einen 16-mm-Filmprojektor transportiert werden. Der Dokumentarfilm POR PRIMERA VEZ (Octavio Cortázar, Kuba 1967) nimmt uns mit nach Kuba. Mit einem Kinomobil fahren die Filmvorführer ins abgelegene Hinterland und zeigen Filme in einem Bergdorf, in dem es kein Kino gibt. Die dort lebenden Kinder und Erwachsenen sehen zum ersten Mal einen Film. Der Lastwagen der Projektionisten dient sowohl als Schlafraum wie auch als Projektionskabine für das mobile Kino. Für alle ab 8 Jahren. (Stefanie Schlüter)