Wie die Geschichte des Kinos denken? Wie Filmgeschichte(n) schreiben? Was ist Kino, was will es, was kann es? Kein anderer Filmemacher der Moderne hat sich mit diesen Fragen so unab-lässig und intensiv beschäftigt wie Jean-Luc Godard – ausgehend von der Überzeugung, dass „eine wahre Geschichte des Kinos“ nicht zu schreiben, sondern nur vom Kino selbst zu erzählen sei, mit Bildern und Tönen, seinen ureigensten Mitteln, in Gestalt von Filmen. Durch seine filmischen Interventionen hat Godard nicht nur das Gesicht des Kinos verändert, sondern – indem er sich für das kinematografische Unbewusste interessierte – dem Kino auch ein Bewusstsein seiner selbst gegeben, das für den Übergang in die Bild- und Medienkultur des 21. Jahrhunderts unerlässlich war.
Godards Projekt einer „wahren Geschichte des Kinos“ manifestiert sich vor allem in seinem legendären, aber in Deutschland kaum bekannten achtteiligen Videoessay Histoire(s) du Cinéma (F 1988–1998). Er ist Höhepunkt und analytische Verdichtung seiner Haltung zum Kino und zur Geschichte. Diese monumentale Arbeit, für deren Fertigstellung Godard zehn Jahre benötigte, wurde hierzulande als Filmgeschichte nicht ernstgenommen (nur die später grundlegend überarbeiteten Kapitel 1A und 1B wurden im Jahr 1990 im Forum gezeigt) und gewissermaßen der Kunst zugesprochen – bis auf die Präsentation als Teil einer Installation im Rahmen der Documenta X sind die Histoire(s) du CinémA in voller Länge bislang nicht zur öffentlichen Vorführung gekommen. Umso mehr freuen wir uns, dank der Unterstützung des Bureau du Cinéma anlässlich des 75. Geburtstags von Jean-Luc Godard die Geschichte(n) des Kinos versuchsweise ins Kino holen zu können.