Zwischen 1970 und 1987 wirkte der spätere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse an den Drehbüchern für sieben DEFADokumentarfilme mit und verfasste die Kommentartexte. Damals war Thierse als Assistent an der Sektion Kulturtheorie/Ästhetik der Humboldt-Universität und später als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentralinstitut für Literaturgeschichte der Akademie der Wissenschaften tätig. Auch seine Filme hatten meist mit Wissenschaftlern und Künstlern zu tun: In der asketischen Studie MATHEMATIKER (1970, R: Richard Cohn-Vossen) plädierte er für eine stärkere Rolle der Wissenschaft in der Ökonomie. IM LESESAAL (1972, R: Hans-Eberhard Leupold) stellte das Kernstück der Leipziger Deutschen Bücherei vor. WML – STEIGER ODER MALER (1976, R: Karlheinz Mund) geriet zum schönen Porträt eines Steinkohlekumpels und Laienmalers aus dem Erzgebirge. Und STADTLANDSCHAFTEN (1981, R: Karlheinz Mund) nähert sich den Malern Konrad Knebel, Klaus Magnus und Uwe Pfeiffer, deren Bilder morbide Schönheiten und Hässlichkeiten urbaner Architektur spiegeln. Thierse, der 1976 nach seinem Protest gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns für einige Zeit ohne feste Anstellung war, fand besonders in den DEFA-Regisseuren Mund und Cohn-Vossen Vertraute. Cohn-Vossen, einer der großen und zu Unrecht fast vergessenen Regisseure des DEFA-Dokumentarfilms, verließ 1977 die DDR und arbeitete im Westen. (R. Schenk) (9.12.)