Der italienische Neorealismus gilt als eine der einschneidenden Bewegungen der Filmgeschichte, als Impulsgeber für eine grundlegende Erneuerung der europäischen Kinematografie. Die zentrale Gestalt dieser Stilrichtung ist ohne Zweifel der am 8. Mai 1906 in Rom geborene Roberto Rossellini. Seine Filme ROMA CITTA APERTA (1945), PAISA (1946) oder DEUTSCHLAND IM JAHRE NULL (1947) zählen zu den Höhepunkten des Neorealismus. Doch so gefeiert seine frühen Filme waren, so ablehnend begegnete die italienische Kritik vielen von Rossellinis späteren Filmen, denen man u.a. Verrat am Neorealismus vorwarf, weil sie sich einer eng gefassten Definition des neorealistischen Films entzogen. Rossellini betont in einem Interview: "Für mich ist Realismus nichts anderes als die künstlerische Form der Wahrheit!" und fand die ihm gebührende Unterstützung und Anerkennung bei französischen Kritikern und zahlreichen jungen Regisseuren, die einige Jahre später die französische Nouvelle Vague begründeten. So schrieb z. B. Jacques Rivette über VOYAGE IN ITALY (Viaggio in Italia, 1953): "Es scheint mir unmöglich, nicht zu erkennen, dass dieser Film eine Bresche schlägt, durch die das ganze Kino hindurch muss." Zeit seiner Karriere arbeitete Roberto Rossellini in den unterschiedlichsten Genres (ohne sich jedoch ihren Konventionen ganz und gar unterzuordnen), experimentierte mit verschiedenen Stilrichtungen und Produktionsweisen und widmete sich in den 60er und 70er Jahren Fernsehfilmen und -serien mit stark historischem Charakter, dazu gehören die beeindruckenden biografischen Filme über Sokrates, Blaise Pascal und Ludwig XIV.