"Wie ein großer Fluss mit einer ruhigen Oberfläche und einer reißenden Strömung in der Tiefe" – so beschrieb Akira Kurosawa den Stil seines Regiekollegen Mikio Naruse. Ein großer Unbekannter außerhalb Japans ist Naruse, der doch zu den Meistern des japanischen Kinos gehört und dessen Filme hierzulande einem kaum gehobenen Schatz gleichkommen. 89 Filme drehte Naruse in einer fast 40-jährigen Schaffensperiode bis zu seinem Tod 1969 – anfangs leichte Komödien, später Melodramen und tieftraurige Studien von Beziehungen, Ehepaaren und Familien. 1905 geboren, wuchs Naruse in ärmlichen Verhältnissen auf. Der Tod des Vaters stürzte die Familie in finanzielle Schwierigkeiten und so musste Naruse mit 15 Jahren die Schule verlassen und begann, bei der Requisitenabteilung des Filmstudios Shochiku zu arbeiten. Ab 1930 konnte Naruse eigene Filme inszenieren.
Naruses Filme erzählen meist von Menschen, die in einfachen Verhältnissen leben. Wie Yasujiro Ozu, mit dem er oft verglichen wird, war Naruse ein Meister des shomingeki, Alltagsgeschichten der kleinen Leute. Anders als Ozu erzählt Naruse höchst illusionslos von den Lebensumständen seiner Protagonisten, von auseinanderbrechenden Beziehungen, schwierigen Familienverhältnissen und dem Kampf ums finanzielle Überleben. Sein Blick auf die Welt ist schonungslos, aber dennoch voller Mitleid und Wärme für die Protagonisten. Es sind präzise und unpathetische Filme, die die Ausweglosigkeit des Daseins und die Tristesse des monotonen Alltags beobachten. Voller Nüchternheit beschreiben sie die Enttäuschungen und Zumutungen des Lebens, die Einsamkeit und Verlorenheit des Menschen.