Im unerschöpflich scheinenden Reservoir japanischer Filmgeschichte ist Heinosuke Gosho (1902–81) ein weiterer Regisseur, den es zu entdecken gilt. Zeitgenosse Ozus und Mizoguchis, blieb er ein im Westen nur gelegentlich gezeigter Geheimtipp. 1923 trat er als Schützling von Yasujiro Shimazu ins Shochiku-Filmstudio ein, wo er 1925 zum ersten Mal verantwortlich Regie führen durfte. In seiner 43 Jahre umfassenden Karriere drehte er an die 100 Filme. Er arbeitete in vielen verschiedenen Genres, drehte Komödien, historische Filme und Literaturverfilmungen, wurde am bekanntesten aber mit seinen "shomin-gekis", die unaufgeregte und ruhige Betrachtungen des Lebens ganz gewöhnlicher Menschen liefern. Seine Geschichten bestehen aus dicht gewebten Verbindungen von Personen, von denen jeder einzelne in all seinen Facetten und seiner ganzen Komplexität betrachtet wird. Dabei interessiert sich Gosho jeweils auch für Nebenstränge und -motive und zeichnet ein umfassendes und reiches Bild einer jeweiligen Situation. Beziehungen und Probleme zwischen den Geschlechtern und zwischen den Generationen sind seine hauptsächlichen Themen. In den Konflikten zwischen den Bedürfnissen des Einzelnen und denen der Gesellschaft wirbt er stets für Verständnis und Versöhnung. Goshos Filme ermöglichen einen Einblick in die japanische Gesellschaft der 30er bis 60er Jahre und die rasant ablaufenden Veränderungen dieser Zeit, die das Leben vor allem der kleinen Leute beeinflussen und erschweren.