Kaum ein Name ist je so sehr zum Signum einer Bewegung, eines Systems und einer Epoche geworden wie der Lenins. Und selten hat eine Person solch kulturelle Blüten getrieben wie die Lenins. Leninzitate, Leninmythen, Leninbilder prägen nach wie vor die Topografie Russlands und gehören dabei ebenso der russischen und sowjetischen Kultur wie auch der westlichen an: Nicht nur Regisseure wie Dsiga Wertow oder Michail Romm, Schriftsteller wie Wladimir Majakowski oder Ferdinand Ossendowski generierten eine Vielfalt von Lenin-Images. Dies taten und tun auch Künstler wie Andy Warhol, Salvador Dali, die deutsche Punkband Die goldenen Zitronen, der Dramatiker Tom Stoppard oder der Philosoph Slavoj Žižek. So scheint Lenin auch heute fortzuleben: als Diskurs und Simulakrum.
Auch nach dem Ende des Kalten Krieges ist Lenin symbolischer Austragungsort für die Konflikte unterschiedlicher Weltanschauungen geblieben. Der Zerfall der UdSSR und das Ende der sozialistischen Staaten finden in der medialen Repräsentation des Westens kaum einen sinnfälligeren Ausdruck als im Sockelsturz – dem ikonoklastischen Gestus des Siegers. Die Entfernung von Lenindenkmälern, die Umbenennung von Straßen, Plätzen und Institutionen, die vormals den Namen Lenins trugen, sind zum zentralen Ausdruck einer westlich geprägten Symbol-Politik geworden, die leicht vergessen lässt, dass es sich bei der "Figur Lenin" um weitaus mehr handelte, als eine statische, ikonografisch festgefahrene Metapher für das "bedrohliche System des Kommunismus", für "ideologische Indoktrination" oder "totalitäre Verblendung".