"In den Sommerferien 1972 hatte sich Louis Malle zehn Tage lang mit leichtem und handlichem Aufnahmematerial auf den Trottoirs der Place de la République installiert, dieses lang gestreckten, nicht gerade schönen, aber so betriebsamen Platzes an der Grenze zwischen Pariser Innenstadt und den peripheren Vierteln des Ostens. Seine Idee: die Ansässigen ebenso wie die Zufallspassanten zum Sprechen zu bringen und so etwas wie ein Selbstporträt der 'Menschheit Place de la République' zu gewinnen, aber nicht mit vorformulierten Fragen. Louis Malle hat, im Gegenteil, seine Kameras und Mikrophone selbst als Anknüpfungsmittel für seine Gespräche benutzt. Er zeichnet in Bild und Ton auf, was die Leute sagen und tun, wenn man sie anspricht, zum Beispiel ganz einfach mit der Frage: "Haben Sie unsere Aufnahmegeräte bemerkt? Ist es Ihnen unangenehm – oder gleichgültig – gefilmt zu werden?" Der Angesprochene kann mit einem Achselzucken antworten, das bedeutet, dass er in Ruhe gelassen werden will, aber er kann genauso gut bereitwillig (von schüchtern-zögernd bis geradezu gierig) auf die Frage eingehen, von der aus – eventuell – eine lange Unterhaltung in Gang kommt. Cinéma vérité? Reportage im Dienst einer 'Pariser Ethnologie'? Die Benennung tut nichts zur Sache. "Place de la République" ist ein Film von einem Reichtum, der hier nur trocken konstatiert werden kann – das Meisterwerk eines Cinéasten, der sein Aufnahmematerial nicht wie Jagdwaffen oder Fallen benutzt, um vom Leben Besitz zu ergreifen wie von einer Trophäe." Frantz Vossen
Louis Malle (1932-1995). Nach Film-Studium am Pariser IDHEC Assistenz bei Jacques Cousteau, Robert Bresson und Jacques Tati. Berühmt seit "L'Ascenseur à l'échafaud" (Fahrstuhl zum Schafott, 1957).
Produktion: Nouvelles Éditions de Films, Paris
Weltvertrieb: Pyramide International
Kamera: Étienne Becker
Ton: Jean-Claude Laureux
Schnitt: Suzanne Baron
Format: 16mm, 1:1.37, Farbe
Länge: 94 Minuten, 24 Bilder/Sek.
Sprache: Französisch
Foto: © Nouvelles Editions de Films S.L.