Eine Frau reist aus der kanadischen Diaspora nach Armenien. Es sind eigentlich zwei Frauen: Die Filmemacherin und die Schauspielerin Arsinée Khanjian, von der wir wissen, dass sie schon mindestens einmal dort war: 1993, als Atom Egoyans Film "Calendar"entstand. Nun reist sie wieder durch das inzwischen veränderte Land, begegnet einer Hochzeit, dem Alltag, Erinnerungen an den Genozid und ihrer in Abwesenheit entstandenen Vorstellungswelt.
Es ist genauso lange her, dass Gariné Torossian einen Film über Armenien collagierte. Die entfernte Heimat war für sie damals eine Leerstelle, gefüllt durch ein Konglomerat an vermittelten Bildern, zum Teil aus Egoyans Film: übernommene Erinnerungen, die sie in ein ausgeschnittenes Loch im Filmkader klebte. Der Ton bestand aus der Aufnahme eines Ferngesprächs. Jener Materie gewordenen Imagination wird nun ihre Geschichte hinzugefügt: Berührt man die steinernen Mauern, so berührt man die Zeit. Die Reise fügt der Skulptur gewordenen Vorstellungswelt die Erfahrungswelt hinzu. In der Überlagerung, im Aufeinanderprall, in der gegenseitigen Verdrängung entsteht eine spannungsreiche Begegnung von Fiktion und Dokument. Torossian verleiht diesem Diskurs eine seltene haptische Qualität, indem sie ihn unmittelbar ins Filmmaterial einschreibt.
Stefanie Schulte Strathaus
Gariné Torossian, geb. 1970 in Beirut, Libanon. 1979 mit der armenischen Familie Emigration nach Kanada. Die Filmemacherin und visuelle Künstlerin lebt in Toronto.
Produktion: Gariné Torossian Film, Toronto; National Filmboard of Canada, Toronto
Kamera: Gariné Torossian, Fred Kelemen, Ruben Khatchatryan
Schnitt: Gariné Torossian, Lewis Cohen, Heather Frise
Darsteller: Arsinée Khanjian, Kamee Abrahamian, Hayr Babken Sablian, Arevik Arevshatian, Nora Badalian
Format: DigiBeta PAL, Farbe und Schwarzweiß
Länge: 72 Minuten
Sprachen: Armenisch, Englisch