Durch die Tagebücher seines Großonkels, den er nur als gespenstischen, psychisch kranken alten Mann gekannt hat, stößt Mun Jeong-hyun auf eine unerwartete Aneinanderreihung familiärer Tragödien, die die Geschichte Koreas im 20. Jahrhundert widerspiegeln: japanische Kolonialherrschaft, Teilung, Krieg, Emigration, Diskriminierung in der Fremde und eine politische Verblendung, die die Gesellschaft tief entzweit.
Mitunter nimmt der Film dabei sogar komische Züge an - etwa wenn Mun seine Eltern nach ihrer Haltung zu politischen und gesellschaftlichen Themen befragt und Vater und Mutter grundsätzlich divergierende Ansichten äußern. In seinen Gesprächen mit der Mutter aber kommen Verheerungen zum Vorschein, unter denen vor allem die Großmutter litt, die für die kommunistischen Aktivitäten ihres Mannes und seiner Brüder in Sippenhaft genommen wurde. Noch immer ist ihre Heimatstadt unsichtbar geteilt in die oberen, bürgerlichen Dörfer, die sich nach der Kolonialzeit auf die Seite der Linken geschlagen hatten, und das untere, proletarische, das auf Seiten der Rechten stand. Beide Seiten leugnen die Verantwortung für Gräueltaten, deren Berichte der Film dezent mit gelungenen Animationssequenzen illustriert. So tief sein Schock sitzt über die familiäre Verstrickung in die blutige koreanische Geschichte, so nüchtern und besonnen geht Mun zu Werke und lässt keinen Zweifel, dass seine Familiengeschichte nicht bloß ein individuelles Unglück darstellt, sondern ein gesellschaftliches.
Christoph Terhechte
Mun Jeong-hyun, geb. 1976 in Kwang-ju, studierte Architektur und Film, drehte 2003 seinen ersten Film Back to My Hometown. Grandmother's Flower ist sein vierter Dokumentarfilm.
Produktion: P.U.R.N. Production, Seoul
Buch: Ryu Mi-rye
Kamera: Jung Il-gun Mit: Na Gyung-soon
Format: DigiBeta PAL, Farbe
Länge: 89 min.
Sprache: Koreanisch