“Als ich die Mauer zum ersten Mal sah, überraschte sie mich. Natürlich kannte ich sie aus den Nachrichten, doch sie zum ersten Mal tatsächlich zu sehen, das war etwas anderes. Ich erinnere mich, dass ich nicht umhin kam, von diesem gewaltigen grauen Bauwerk erstaunt zu sein, das die gesamte Landschaft einnahm. Sie wurde zur sichtbaren Landschaft selbst. Tatsächlich war das das einzige, was ich mit ihr tun konnte – sie anschauen.
Ich erinnere mich an meine Faszination. Das erste Foto war eine Mischung aus Verwunderung und Faszination einem Bauwerk gegenüber, von dem ich sofort wusste, dass ich es auf lange Zeit hinaus sehen würde. Vielleicht war das Foto eine Art Vorbereitung auf eine dauerhafte visuelle Beziehung zu diesem Bauwerk, zu unserer zukünftigen Landschaft.
Von der Nakba im Jahr 1948 und durch die Jahre der Besatzung hindurch waren die Bilder, die von dieser Landschaft zirkulierten, Bilder eines verschwindenden Raumes: von einem möglichen Bauplatz wurde sie zu einer Sehenswürdigkeit, die alle Verfahren und Strukturen der Trennung und Unterdrücken umfasste. Diese Bilder werden zur Darstellung von Gefühlen des Verlusts, des vom Konflikt hervorgerufenen Traumas genutzt: Bilder von Olivenhainen, von historischen Dorfkernen, von Terrassen, usw. Bilder, die die Handlungen der Besatzung dokumentieren, die die graue Betonmauer zeigen, die das Land durchschneidet, Siedlungen am Horizont, das Leid der Menschen, die an den Checkpoints warten; ob in den Massenmedien oder in der Kunst verbreitet, von ausländischen oder lokalen Fotografen geschossen. All diese Bilder sind uns vertraut. So sehen wir das Land: eine Landschaft, die durch Besatzung und Entfremdung entsteht. Wir sind fixiert auf die visuelle Repräsentation unseres politischen Status, wir werden vertraut mit dieser Landschaft, weil wir uns daran gewöhnen, sie als fremden Ort zu sehen.
Das Problem ist nicht die Landschaft als Szene, sondern der Akt der Transformation des Raums in eine Szene. Gewalt ist nicht nur, was im Raum ausagiert wird, sondern auch die Erschaffung von Landschaft durch diese Gewalt. Das heißt, die Mauer ist nicht da, um uns vom Land zu trennen, sie wird zu unserer Landschaft.”
Yazan Khalili
Yazan Khalili, geboren 1981, lebt und arbeitet in- und außerhalb Palästinas.
Ein Fotografie/Film-Projekt, 91 Einzelbilder in Buchform
Format 46x32 cm, Fotoformat 18x12 cm
Im Auftrag der Jerusalem Show, Al-Ma’mal Foundation.