Wie soll man das nennen, was ich vermisse?, das ist der Titel eines Textes, den Harun Farocki 2001 für die Publikation Suchbilder. Visuelle Kultur zwischen Algorithmen und Archiven (hg. v. Wolfgang Ernst, Stefan Heidenreich und Ute Holl) geschrieben hat. Das Buch ist im Verbund mit dem Symposion Suchbilder. Schritte zu einem Bildarchiv filmischer Topoi entstanden, das wir im Februar 2001 in den Kunst-Werken Berlin veranstaltet haben. Und genau das ist es, was Harun vermisst hat: ein Bildarchiv filmischer Topoi oder auch eine Motivgeschichte filmischer Topoi, die im Medium des Films selbst angelegt wird. Einige Einträge in ein solches imaginäres Lexikon sind bereits in Angriff genommen worden: Arbeiter verlassen die Fabrik, 1996, Der Ausdruck der Hände, 1997, Gefängnisbilder, 2000, Fressen oder Fliegen, 2008 (mit Antje Ehmann) und Tropen des Krieges, 2011 (mit Antje Ehmann). Dieses über viele Jahre in verschiedenste Richtungen ausgeführte filmkundliche Projekt kann nun von Harun selbst nicht mehr fortgeführt werden. Und das ist einer der vielen Umstände, die wir nun betrauern und schmerzlich vermissen. Wir sind uns sicher, hätten wir ihm das Motiv der Tür als ein nächstes Projekt vorgeschlagen, Harun hätte es mit Begeisterung aufgegriffen. Wir fühlten uns verführt, die Motivsuche auf sein Werk selbst anzuwenden. Und dabei muss man sich keineswegs verrenken. Das Motiv der Tür und mit ihm aufgerufene übergeordnete- oder auch Sub-Motive (wie etwa Trennen und Verbinden, die Schwelle, das Fabriktor, Einschluss und Befreiung) finden sich fast kontinuierlich in Haruns Werk. Also begannen wir, all die Tür-Szenen in Haruns Werk zu sammeln und das Motiv im allgemeinen zu recherchieren. Dabei stellten wir schnell fest, wir können nicht so tun als könnten wir einen Harun-Film ohne Harun machen. Also wurde unter der Hand eine Art Liebesbrief daraus. In der Hoffnung, dabei auch ein paar weitere Türen öffnen zu können. (Antje Ehmann, Jan Ralske)
Antje Ehmann, geboren 1968 in Gelsenkirchen, ist Autorin, Kuratorin und Videokünstlerin. Sie lebt und arbeitet in Berlin.
Jan Ralske, 1959 in den USA geboren, ist Künstler und Filmmemacher. Er lebt und arbeitet in Berlin.
Kontakt: farocki-film.de
Format: 2-Kanal-Videoinstallation, Sound.
Länge: 12 min