Les Mots et les Choses de Mudimbe ist ein Porträt des kongolesischen Universalgelehrten Valentin-Yves Mudimbe, einem der wichtigsten lebenden afrikanischen Philosophen und Autoren. Mudimbe wurde 1941 in Likasi, damals Belgisch-Kongo, der heutigen Demokratischen Republik Kongo geboren. Er begann zunächst ein Studium der Wirtschaftswissenschaften in Kinshasa und promovierte dann in Romanischer Philologie in Paris. Das Sprachgenie – er spricht etwa 10 Sprachen, in 8 weiteren liest er – hat an fast allen namhaften Universitäten der Welt gelehrt, in Frankreich, Belgien, Mexiko, Kanada, Großbritannien, Israel und Deutschland. 1979 emigirierte Mudimbe in die USA, wo er noch heute Professor Emeritus an der Duke University ist. In seinem Werk, das mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde, befasst Mudimbe sich mit Geschichte und Gegenwart Afrikas zwischen Tradition und europäischem Einfluss und den Prozessen von Auflösung und Zerstörung, verursacht durch Kolonialisierung, Missionierung und Entwicklungshilfe. Sein Roman Shaba deux, der 1978 erschien, behandelt beispielsweise die grausamen Ereignissen unter der Mobutu-Diktatur. Sein Roman "Le Bel Immonde" (1976) ist 1982 auf deutsch unter dem Titel "Auch wir sind schmutzige Flüsse" erschienen. Seine Monografien "The Invention of Africa" (1988) sowie "The Idea of Africa" (1994), in denen er versucht, Afrika von der Setzung als ‚absolutes Anderes‘ im westlichen Denken zu befreien, gelten als Klassiker und werden in ihrer Bedeutung oft mit Edward Saids Orientalismus verglichen. Der Film ist ein ungewöhnliches Porträt von einem der bekanntesten Filmemacher Kameruns. Eine „Einführung, Entführung, Verführung“ (Dorothee Wenner) in das Werk und das Denken Mudimbes. Angelegt wie ein Buch, in dem stets neue Kapitel aufgeschlagen werden, jeweils mit handschriftlichen Texttafeln eingeführt, lässt sich der Film im wahrsten Sinne des Wortes ein, auf ein höchst komplexes Denken, eine geradezu weltumspannende Biographie. Das Haus, in dem Mudimbe wohnt, wird zur behausenden Architektur dieses Lebens und Denkens und damit des Films: die Kamera wird es erst zum Schluss verlassen, in einer Einstellung verharrend, die als Einladung zu verstehen ist. Der Film entfaltet sich gerade in seiner Beharrlichkeit einer Architektur wechselnder Perspektiven, schafft Anordnungen, verfolgt Sammlungen, die das Wissen und das Denken Mudimbes verkörpern: niemals abgeschlossen, stets in Verbindung (‚Rélations‘, würde Édouard Glissant das nennen). So sind das Haus, Mudimbes Erzählungen und Verweise, und damit der Film angefüllt mit Büchern, Fotos – von Familie und Weggefährten und Freunden –, Erinnerungen, Diplomen, zahllosen Objekten, Statuen, und technischen Geräten. Ein ganzes Jahrhundert umspannend, und dabei stets offen für alles, für Altes wie Neues. Es geht um Hegel, Derrida, Aristoteles, um Hannah Arendt, Clifford Geertz, Pierre Bourdieu – und der Titel verrät es – um Foucault; um die Berliner Afrika Konferenz, um die philosophische Entstehung des ‚Rasse’gedankens während der deutschen Kolonialperiode Ruanda/Burundi. Um afrikanische Philosophen und um eine kritische Untersuchung okzidentaler Wissensproduktion. Darum geht es vor allem und immer wieder: wie Wissen entsteht, gelehrt wird, wie es sich vermittelt. Mudimbe stellt faszinierende Querverbindungen her, eine stets kritische, stets neugierige Weise, Geschichte und Gegenwart zu ‚lesen‘, zu analysieren. Dabei kommt auch seine private Geschichte ins Spiel, als Sohn von Eltern verschiedener ‚Ethnien‘, von den Benediktinern ausgebildet (der Vergleich verschiedener Religionen kommt ebenfalls zur Sprache). Sein Denken, seine Lehre, seine Forschung ist für ihn nicht Selbstzweck, so Dorothee Wenner, „aber meint wohl auch sich selbst, wenn er sagt, dass Philosophen ‚fürs System‘ eigentlich stets besser tot sind – sonst rühren sie auf.“
Bekolo zeigt sich erneut als kongenialer Porträt-Filmemacher. Wie schon bei seinem ähnlich ungewöhnlichen – radikal kurzem – Porträt Djibril Diop Mambétys (La grammaire de ma grand-mère, F 1996) kreiert er ein Mise-en-scène der Rede und stets möglichen Gegenrede, der „möglichen Begegnungen ... mit der Frage, was Film vermag und wie er mit jemandem, mit anderen und anderem zusammen etwas erzählt“ (Brigitta Kuster). Ein ungewöhnlicher Film, faszinierend wie das Objekt/Subjekt seiner Erzählung, opulent, sensibel, klug und radikal. Eine weitere Station postkolonialen, kosmopolitischen Filmschaffens.
(Nanna Heidenreich)
Jean-Pierre Bekolo, geboren 1966, gehört zu den bekanntesten Filmemachern Kameruns. Schon mit seinem Debütfilm Quartier Mozart (1992) sorgte er auf dem Festival in Cannes für Aufsehen und wurde zum Vertreter einer neuen Generation, die sich in der Nachfolge von Djibril Diop Mambéty – dem Bekolo in La grammaire de ma grand-mère (1996) eine Hommage widmete – den eng gesteckten Erwartungen an afrikanisches Kino widersetzte, die Genres mixte und Pop mit Politik verknüpfte. Für das British Film Institute produzierte er Le complot d’Aristote (1996) als Teil einer Filmreihe, an der Künstler wie Scorsese, Bertolucci und Godard beteiligt waren. Sein avantgardistischer Polit-Thriller Les Saignantes (2005) war 2009 für zwei Kategorien der französischen Césars nominiert. 2013 wurde sein Spielfilm Le Président in Kamerun aus politischen Gründen verboten. Neben seiner Regiearbeit schreibt und publiziert Bekolo, außerdem lehrt er an der University of North Carolina, Chapel Hill, und an der Duke University. Er lebte zuletzt abwechselnd in den USA, Frankreich und Kamerun und ist ab Sommer 2015 als Stipendiat des Künstlerprogramms des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) in Berlin.
Kontakt: jeanpierrebekolo@gmail.com
Format: HDVCAM, Farbe
Länge: 243 min
Sprachen: Französisch, Englisch