Erzähl uns doch bitte, was dich zum Film geführt hat, warum du gerade Kameramann geworden bist und wie sich deine künstlerische Ästhetik entwickelt hat.
Ich bin mit den Filmen von Spielberg groß geworden, das Kino hat mich also immer schon begeistert. Mit 13 oder 14 gab ich dann meine Ambitionen, ein ernstzunehmender Comiczeichner zu werden auf und widmete mich stattdessen voll und ganz der Filmgeschichte. Den Ausschlag dazu gab eine Reihe mit alten europäischen Filmen, die spätnachts auf PBS lief. Die Frauen in diesen Filmen sahen umwerfend aus, die Musik klang cool und die Kameraeinstellungen waren einfach nur genial. Diese Regisseure waren meine Helden und deshalb wollte ich auch einer werden.
Kameramann war also nicht meine erste Wahl. Das kam erst mit meinem Umzug nach New York. An der Schule hatten wir eine Filmausrüstung, deshalb kannte ich mich schon ganz gut aus. Als ich beschloss nach New York zu ziehen, fragte mich ein Freund, ob ich nicht Lust hätte, eine Webserie mit ihm zu drehen. Die Produktionsfirma hieß Studio Next und der Creative Producer war Doug Tirola, der später viele Filme von Robert Greene produzierte. Er schickte mich auf die Straße, damit ich verschiedene Sachen für die Seite filme. Damals arbeitete ich auch noch bei „Kim’s Video and Music“ im East Village. Einer meiner Kunden sah mich beim Dreh in Chelsea und wollte wissen, ob ich mich mit 16mm Film auskannte. Sein Freund Ronnie Bronstein suchte nämlich noch einen Kameramann für seinen ersten Film. Die folgenden vier Jahre war ich dann mit dem Dreh von FROWNLAND beschäftigt.
Der Stil des Films war rein funktional. Ich war noch ziemlich unsicher bei der Belichtung und hatte keine Ahnung, was wir mit unseren zwei oder drei Scheinwerfern anfangen sollten. Die Aufnahmen hatten null Tiefe – schrecklich. Aber es war ein großer Spaß. Dann machte ich vor allem dokumentarische Projekte mit den ganzen verschiedenen miniDV-Camcordern, die damals den Markt eroberten. Die Panasonic DVX100 hatte es mir besonders angetan und ich benutze sie noch heute gern nur so zum Spaß. Mir lag dieser spaßige Trend, Geschichten einen dokumentarischen „Stil“ zu geben. Ich würde nicht behaupten, dass ich auf einen bestimmten Look aus bin, jeder meiner Filme ist auf gewisse Weise anders, das hoffe ich zumindest.
Im Laufe deiner Karriere hast du mit vielen verschiedenen Regisseuren zusammengearbeitet, darunter Größen wie Albert Masyles und Abel Ferrara, aber auch mit Newcomern wie Jessica Oreck und Charles Poekel. Ist es anders mit bereits etablierten Filmemachern zu arbeiten und beeinflusst ihre Bekanntheit in gewisser Weise die Zusammenarbeit?
Für mich macht es keinen Unterschied, ob ich mit etablierten Regisseuren oder Anfängern drehe. Es gibt großartige Filmemacher, die sich kaum in die Kameraarbeit einmischen, sondern mehr auf den Text und die Schauspieler konzentrieren. Andere Filmemacher haben sehr genaue Vorstellungen, wie ein Film am Ende aussehen soll. Alles kein Problem. Anstrengend wird es erst, wenn Regisseure nicht wissen, was ihnen gefällt, sondern nur, was ihnen nicht gefällt. Das kommt sowohl bei erfahrenen als auch unerfahrenen Regisseuren vor.
Du hast erwähnt, dass du in der legendären New Yorker Videothek „Kim’s Video and Music“ angestellt warst, wo auch Alex Ross Perry und Kate Lyn Sheil arbeiteten. Es ist immer sehr reizvoll, vielleicht zu sehr, über Filmemacherszenen zu reden, die aus solchen Situationen entstanden sind. Ihr habt im Laufe der Jahre häufig zusammengearbeitet, wie wichtig sind daher diese (beruflichen) Beziehungen für dich?
„Kim’s Video“ war ein Treffpunkt für die Szene. Viele Videotheken kultivierten diesen Enthusiasmus und unterhielten wunderbare persönliche Beziehungen zu ihren Kunden. Man half sich finanziell aus und vertraute sich seine Geheimnisse an. Ich denke mit dem Verschwinden dieser Läden geht in Amerika viel verloren. Ich arbeite noch immer mit vielen Leuten zusammen, die ich dort kennengelernt habe: Alex Perry, Robert Greene, Jessica Oreck, Maiko Endo, Kate Sheil, Mike Bilandic, Jay Giampietro, Nathan Silver, Ethan Spigland, Michael Almereyda und meine engsten Freunde, mit denen ich MANIAC CITY gemacht habe. Dieser Film ist wirklich ein Kind der 3. Etage von „Mondo Kims“.
Lass uns von einem vergangenen Medium zum nächsten gehen, viele deiner Filme sind zu einer Zeit auf Film gedreht worden, als das eher die Ausnahme denn die Regel war. Wie ist deine Beziehung zu Zelluloid und gehst du an digitale Produktionen wie HEAVEN KNOWS WHAT und KATE PLAYS CHRISTINE anders heran?
In den 15 Jahren, in denen ich nun Filme mache, habe ich immer wieder abwechselnd auf Film und Video gedreht. Ich habe an sich nichts gegen Video und mache mir die Vorzüge und Mängel zunutze. Die heutige Optik von Video ist mir zu schrill, hart und hässlich. Aber ich mag die Kameras von Sony mit ihren soften Sensoren, auch ihre Ausstattung überzeugt mich mehr als andere. In meinen Augen gibt es keine angenehmere Kamera als die Aaton 16mm, aber mir ist klar, dass Film nicht für jedes Projekt geeignet ist.
Wenn ich mit Video drehe, benutze ich Filter und ältere Objektive. Das ist nicht ungewöhnlich, aber mir gefallen trotzdem nur wenige aktuelle digitale Filme. Ich sehe überhaupt selten neue Filme außerhalb von Festivals, denn meistens finde ich nichts Magisches an ihnen. Dafür gehe ich häufig in Repertoire-Kinos, die alten Filme prägen noch immer meine ästhetische Wahl. KATE PLAYS CHRISTINE ist meiner Meinung nach richtig gut geworden. Kate stand schon in über 15 Filmprojekten vor meiner Kamera und ich weiß daher ganz genau, wie sie auf der Leinwand wirkt. Ihre Haut reagiert äußerst sensibel auf Temperatur und bekommt ganz schnell einen rosa Ton! Ich finde sie wird immer schöner, je älter sie wird. Wir verstehen uns blind, wenn die Kamera läuft. Dank dieser Vertrautheit fiel es uns leicht, an jedem Drehtag magische Augenblicke einzufangen. Na gut, vielleicht war Robert auch nicht ganz unbeteiligt.
Dein Name taucht als erster im Abspann von Ted Fendts SHORT STAY auf, der zu den wenigen 35mm Filmen gehört, die im Forum gezeigt werden. Was verbindet dich mit Ted und wie gehört er zur Szene, über die wir bereits gesprochen haben?
Ein neuer Film von Ted Fendt ist immer ein Erlebnis. Als BROKEN SPECS 2013 im Kurzfilmprogramm der BAMcinématek lief, sprachen plötzlich alle von Ted. Wir sahen den Film in großer Runde: Josh Safdie, Dustin Defa, Jay Giampietro, Mike Bilandic und noch andere. Wir mussten so laut lachen und uns fiel diese klassische, kontrollierte Art des Filmemachens auf, die für die heutige Zeit vollkommen untypisch ist. Er hat uns alle beeinflusst und es ist eine große Freude, beim Filmen Augenblicke und Veränderungen einzufangen, die man als „Fendt-ly“ bezeichnen könnte. Ich hoffe, der Spielfilm ist so wie seine Kurzfilme. Bei ihnen hat man immer das Gefühl, sie sind viel zu schnell vorbei, was bei Kurzfilmen eher selten vorkommt, so selten wie die Qualität seiner Kurzfilme. Seine Besetzung passt immer perfekt, dabei sind das alles seine Kumpels! Viele von uns haben das Glück mit Leuten aus ihrem Umfeld zu drehen. Ich schätze Ted und sein Team sehr! Es würde mir nicht im Traum einfallen mit meinem Übermaß an Energie und dummen Ideen an seinem Set aufzutauchen. Wann immer er sie braucht, leihe ich ihm meine Kameraausrüstung. Aber ich würde schon gern wissen, warum er mir an so prominenter Stelle dankt. Jedes Mal, wenn wir uns sehen, ziehe ich ihn auf – mit seinen Haaren, seinem Mantel, allem Möglichen! Und dafür bekomme ich jetzt auch noch Dank!