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Ich habe den Libanon 2006 verlassen. In den letzten zehn Jahren lebte ich in sieben Ländern, zehn Städten und 21 Häusern. Ich schlief in 21 Betten, kochte in 21 Küchen, putzte 21 Bäder, schrieb an 21 Tischen und machte 21 Türen hinter mir zu. Ich packte mein ganzes Leben in zwei Koffer und einen Rucksack. Der Rest blieb zurück. Irgendwo benutzt irgendjemand mein Bett, irgendwo hat irgendwer meine Schuhe, irgendwo erinnern meine verstreuten Spuren vielleicht irgendjemanden an mich. Ich war dort. Doch jetzt bin ich hier. In Katar. In einem nachgemachten Venedig mit bunten Häusern. Auch Häuser haben Erinnerungen. Sie verstecken sie unter ihren Fensterbrettern, zwischen Schichten von Wandfarbe und flüstern sie vorbei fliegenden Vögeln zu. Welche Erinnerungen bleiben diesen Häusern? Ich lebe hier, doch ich hinterlasse keine Spuren. Ich versuche mich an den Wänden zu verewigen, sie zu beschmutzen, zu markieren. Doch es gelingt mir nicht. Sie werden immerzu gereinigt, bewacht, beschützt. Stattdessen streichle ich sie. Und ich filme sie, damit ich sie nicht vergesse.
Zuhause ist dort, wo das Herz ist, sagen sie. Ich widerspreche: Mein Herz ist überall. Es hat sich mit der Musik davon gemacht. Ich bin immer zu Hause, wie eine Schildkröte. (Rawane Nassif)
Rawane Nassif, geboren in 1983 in Beirut, Libanon, studierte Film an der Université Saint Joseph, Libanon (BFA) und Kulturanthropologie an der University of Alberta, Kanada (MA). Sie ist Filmemacherin, Autorin und Wissenschaftlerin. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich mit Raum, Traditionen, Identitäten, Verdrängung und Erinnerung. Derzeit arbeitet sie als Filmwissenschaftlerin am Doha Film Institute.
Produktion: Doha Film Institute, Beirut
Buch: Rawane Nassif
Kamera: Rawane Nassif
Länge: 12 min
Sprache: Arabisch
Foto: © Rawane Nassif