Wie kam es dazu, dass Sie Produzentin von „pink eiga“ wurden, dem japanischen Spielfilmgenre, das sich zwischen Sexfilm und Autorenkino bewegt?
Ich hatte kein besonderes Interesse an „pink eiga“, es ist mir einfach passiert. 1964 arbeitete ich als Sekretärin bei dem Elektronikkonzern Hitachi Seisakusho. Ich war mit dem Sohn des Präsidenten von Kokuei, Kazuyuki Yamoto, befreundet, der direkt nach seinem Universitätsabschluss bei Kokuei zu arbeiten anfing. Kokuei verlieh einen Kurzfilm aus den USA mit dem Titel „Sexy Route 66“. Mehr als zehn Angestellte und der Präsident von Kokuei wurden daraufhin wegen Unzüchtigkeit verhaftet. Nur wenige Angestellte blieben im Büro übrig. Ich und vier andere Freunde gingen abends nach unseren normalen Jobs sowie am Wochenende zu Kokuei, um dort auszuhelfen. Am Ende wurden wir alle fünf dort angestellt. Das übliche Einstiegsgehalt betrug zu dieser Zeit 14.800 Yen, aber sie versprachen uns 20.000 Yen, also sagten wir zu.
Wann begann die Produktion von „pink eiga“?
Kokuei produzierte zunächst Lehrfilme, die an Grundschulen verkauft wurden. Sie begannen erst 1963 mit der Produktion von „pink eiga“. Damals hieß es nicht „pink eiga“, aber es war üblich, kurze Sexfilme als Teil einer Filmvorführung in den ländlichen Kinos zu zeigen. Das hat die Kundschaft ins Kino gelockt. Wir wollten einen Film wie „Sexy Route 66“ auch in Japan produzieren. Der erste von Kokuei produzierte „pink eiga“ war Joyoku no dokutsu (1963), Regie führte Koji Seki. Wir durften damals keine weibliche Haut zeigen, aber wir entschieden uns, einen weiblichen Tarzan-Film zu produzieren und Nacktheit zu zeigen, mit Ausnahme der Brüste und des Hüftbereichs. Seki war ein Tierfilmregisseur, und wir brauchten einige Tiere in unserem Tarzan-Film. Aus diesem Grund boten wir ihm den Job an.
Was bedeutet der Begriff „pink eiga“?
Sie nannten es damals „Sexfilme“ oder „neuartige Filme“. Der Journalist Minoru Murai kam oft zu Kokuei, und er nannte es in Anspielung auf das Blaue Band, das in Japan für außerordentliche Verdienste vergeben wird, „pink eiga“, Pink Film.
Haben andere Produktionsfirmen damals schon „pink eiga“ produziert?
Okura Eiga und ehemalige Mitarbeiter von Kokuei gründeten eine Firma namens Nihon Cinema und begannen mit der Produktion von „pink eiga“. Als die Leute merkten, dass man damit Geld verdienen kann, haben auch 50 andere Firmen angefangen, diese Filme zu produzieren. Zu Beginn war es mehr als genug, etwa fünf oder sechs Filme pro Jahr zu produzieren und zu zeigen. Kokuei produzierte Filme in der Tokioter Hauptfiliale und schickte sie in die Filialen in Osaka, Nagoya, Kyushu und Hokkaido. Sie machten Werbung und zeigten sie in lokalen Kinos. Wir haben damals genug verdient, um 100 Leute zu beschäftigen.
Was war der erste „pink eiga“, den Sie produziert haben?
Ich war gut befreundet mit Kaoru Umezawa, einem Regieassistenten von Koji Wakamatsu. Umezawa hatte mich gebeten, sein Regiedebut zu produzieren. Ich war auch mit Chusei Sone, der für Nikkatsu arbeitete, gut befreundet. Also bat ich ihn, das Drehbuch zu schreiben. 1965 inszenierte Umezawa Judai no umeki. Das wurde mein Debüt als Produzentin. Damals hatten wir viel Zeit für die Produktion zur Verfügung, und es gab nicht viele Einschränkungen. Wir übernachteten in einem luxuriösen Ryokan, um dort das Drehbuch zu schreiben. Zu Beginn meiner Zeit bei Kokuei war ich noch nicht Produzentin. Ich war für das Produktionsmanagement verantwortlich. Später gab es zwei andere Produzenten und mich, aber im Abspann stand immer der Name „Daisuke Asakura“ als Produzent.
Woher kam der Name Daisuke Asakura?
Damals gab es in der Branche kaum Frauen, daher konnten wir keinen Frauennamen verwenden. Wir drei Produzent*innen haben uns getroffen, um darüber zu diskutieren. Daisuke Asakura ist eine Art Scherzname, wir haben mit Worten gespielt. Asakura kommt von „asa kara“, was „von morgens an“ bedeutet. Daisuke kommt von „daisuki“, was „lieben“ bedeutet. Der Name bedeutet einfach „wir lieben (Sex) von morgens an“. Zudem bewunderte ich, als ich jung war, einen meiner Lehrer und dachte daran, eines Tages selbst Lehrerin zu werden. Ich wollte nicht, dass dieser Lehrer meinen Namen im Abspann liest, falls er sich „pink eiga“ anschauen sollte.
Wie viele Filme haben Sie produziert?
Ungefähr 500 bis 600? Ich habe sie nie gezählt. Ich denke, Kokuei hat insgesamt etwa 1.500 bis 1.600 Filme produziert.
Was ist Ihre denkwürdigste Arbeit?
Ich wurde oft gefragt, welcher mein Lieblingsfilm ist. Ich kann sagen: Ich habe keinen. Auf der anderen Seite gibt es auch keinen, den ich nicht mag. Ich arbeite immer noch und produziere Filme, also kann ich mich nicht entscheiden. Mein nächster Film könnte mein Lieblingsfilm werden.
Hatten Sie als Frau Schwierigkeiten in dieser Branche?
Ich denke, die Regisseure hatten es schwerer mit der Tatsache, dass ich eine Frau war. Ich war in meinen Zwanzigern, und wenn ich damals einen Film mit einem der Regisseure der ersten Generation produzierte wie Koji Wakamatsu, Kan Mukai oder Mamoru Watanabe, wurden die anderen Regisseure eifersüchtig. „Gehst du mit ihm aus?“, fragten sie mich. Also dachte ich, ich sollte lieber keinen festen Partner haben und Single bleiben. Auf der anderen Seite haben sie sich wirklich gut um mich gekümmert. Ich war jünger als sie und wusste nicht viel. Ich kann sagen, es war eine glückliche Zeit. Die Regisseure der zweiten Generation waren eher in meiner Altersgruppe, etwa Atsushi Yamatoya, Kaoru Umezawa und Masao Adachi. Die Regisseure der dritten Generation, Banmei Takahashi und Kazuo Komizu, sind jünger als ich.
Wie haben Sie entschieden, welche Filme produziert wurden?
Zuerst haben wir Drehbücher bekommen. Darunter wählten ich und die zwei anderen Produzenten (Kazuyuki Yamoto und Shunsuke Nao) aus, welcher Film gedreht werden sollte. Damals hatten wir keine Computer; also war derjenige, der eine schöne Handschrift besaß, im Vorteil. Banmei Takahashi hatte eine schöne Handschrift. Wenn wir sehr viele Drehbücher erhielten, wählte ich nach meinem Geschmack aus. Ich habe die Drehbücher nicht danach ausgewählt, wie viele Sexszenen ein „pink eiga“ haben sollte. Das Drehbuch musste mich interessieren. In Inflatable Sex Doll of the Wastelands (1967) von Atsushi Yamatoya gibt es kaum Sexszenen. Die abgelehnten Drehbücher haben wir zerschnitten und zu Schmierpapier gemacht. Einige Regisseure bemerkten das und ärgerten sich.
Gab es Beschwerden von Zuschauern, die mehr Sexszenen erwarteten?
Damals beklagte sich niemand, und bis in die 80er Jahre hatte „pink eiga“ ein großes Publikum. Als dann die „Adult Videos“ auf den Markt kamen, mussten wir damit konkurrieren, und das Endergebnis war oft mittelmäßig. Wir sind selbst dafür verantwortlich, dass das „pink eiga“-Genre langweilig wurde. Wenn du ein „Adult Video“ drehst, brauchst du nur ein Bett, und schon kannst du ein paar Sexszenen drehen, aber ein „pink eiga“ muss eine Geschichte haben. Ich blieb störrisch, und so haben Kokueis Filme seit den späten 80ern den Ruf, „schwierig, dunkel und ohne Sex“ zu sein, und die Kinos mochten uns immer weniger.
Kokuei ist für die guten Beziehungen zwischen Regisseuren und Regieassistenten bekannt.
Instinktiv weiß ich, welcher Regisseur mit welchem Regieassistenten gut zusammenarbeiten wird. Mein Gefühl sagt mir auch, wann der Moment gekommen ist, an dem ein neuer Regisseur reif ist für sein Debüt. Zum Beispiel tat sich Koji Wakamatsu mit Banmei Takahashi zusammen. Ich würde nicht sagen, dass meine Intuition nie trügt, aber wenn mich jemand fragt, wie ich mich entscheide, sage ich: mit meinem Instinkt. Wir respektieren Individualität, wir pflegen gute Beziehungen und respektieren einander. Dies ist ein besonderes Merkmal, das es nur bei Kokuei gibt, nicht in anderen „pink eiga“-Unternehmen. Wir pflegen gute Verbindungen zu den Regisseuren. Ich bin sehr froh, dass einige unserer Regisseure vom „pink eiga“ in die normale Filmindustrie gewechselt und berühmt geworden sind. Kokuei hat Geld investiert und sich stark bemüht, dass unsere Filme auf ausländischen Filmfestivals gezeigt werden konnten.
Gab es je einen Moment, in dem Sie dachten: „Ich bin froh, dass ich als Frau diese Arbeit mache“?
Die Leute um mich herum reagierten so, aber ich habe selbst nie viel darüber nachgedacht. Einige Medien fanden heraus, dass ich eine „pink eiga“-Produzentin war und wollten mich interviewen, aber ich weigerte mich und sagte: „Mein Lehrer sieht sich das vielleicht an, also nein“ und zeigte mich nie öffentlich. Bei den „pink eiga“-Preisverleihungen erhielten Kokueis Filme oft erste Preise, weshalb ich manchmal auf die Bühne kommen musste. Sie riefen den Gewinner auf, und es hieß: „Bitte kommen Sie auf die Bühne, Herr Daisuke Asakura“, und dann erschien eine kleine alte Dame. Natürlich waren die Leute überrascht.
Gibt es noch andere Frauen in der „pink eiga“-Industrie?
Es gibt einige, die hinter der Kamera arbeiten, aber nicht als Produzentin. Manchmal übernimmt der Regisseur beim Dreh die Rolle eines Produzenten, aber ich glaube, ich bin die einzige Produzentin in der „pink eiga“-Industrie, die so viel Einfluss hat.
Ihre „pink eiga“ wurden oft in regulären Kinos gezeigt.
Wenn man einen „pink eiga“ in einem regulären Kino zeigt, muss er bereits in den „pink eiga“-Kinos gelaufen sein. Dann verwenden wir den ursprünglichen Titel, der auch der des Drehbuchs ist. In „pink eiga“-Kinos verwenden wir typische „pink eiga“-Titel. Wenn ein Film auf einem ausländischen Filmfestival lief, wurde es leichter, ihn auch in regulären Kinos in Japan zu zeigen.
Gab es in den frühen Tagen des „pink eiga“ strenge Vorschriften?
Damals durfte man den weiblichen Körper nur von den Brüsten an nach oben zeigen. Du konntest Brüste zeigen, aber nichts unterhalb der Taille. Das änderte sich allmählich, aber die Vorschriften von Eirin (Anm. d. Red.: Filmklassifikations- und Bewertungs-Organisation, Japans Filmregulierungsbehörde) besagten auch, dass man in einer Sexszene keine Poritzen zeigen darf. Heutzutage ist es sogar in Ordnung, Schamhaare zu zeigen. Es gibt weniger Vorschriften, aber jedes Jahr kommen die Prüfer vorbei, und es ändert sich ständig. Es kommt auch auf die Prüfer selbst an. Eirin überprüft nicht nur „pink eiga“, sondern auch reguläre Filme.
Ihre Filme gehören zu den anspruchsvollsten des Genres. Haben Sie die jungen Regisseure bewusst herausgefordert?
Ich wähle nur die Drehbücher aus, die ich mag. Ich bestimme den Zeitpunkt, wenn ein junger Regisseur so weit ist, eine Story zu schreiben. Erste Drehbücher sind normalerweise unbeholfen, weil es sich um keine professionellen Drehbuchautoren handelt, aber wenn es irgendwo in der Geschichte einen Kern gibt und man sich vorstellen kann, dass sich daraus ein interessantes Buch entwickeln könnte, gebe ich mein Okay. Ich kann das nicht logisch erklären, aber ich habe an meinen Instinkt geglaubt und besaß immer Selbstvertrauen. Meine Neugier ist mir geblieben. Vielleicht ist das der Schlüssel, um jung zu bleiben. Ich spreche ganz normal mit jungen Regisseuren und denke, niemand scheint sich um mein Alter (77) zu kümmern.
Welche Erinnerungen haben Sie an die drei Filme, die dieses Jahr im Forum der Berlinale gezeigt werden?
Gushing Prayer (1971): Masao Adachi ist ein Jahr älter als ich. Ich beschloss, mit ihm zu arbeiten, weil ich den scharfen Blick in seinen Augen mochte, wenn wir Mahjong spielten. Er war ein ernsthafter Typ, aber er spielte den „Bad Boy“. Das hat mir gefallen. Wir durften damals alles machen. So konnten wir diesen Film produzieren. Es war eine gute Zeit.
Inflatable Sex Doll of the Wastelands (1967): Der Film wurde außerhalb des Studios im Breitbildformat in der Nähe von Mt. Fuji gedreht. Deshalb ist er ungewöhnlich, einfach unglaublich. Ich habe das Set besucht. Atsushi Yamatoya ist ein seltsamer Typ, wirklich außergewöhnlich. Die Art, wie er die Dinge sieht, unterscheidet sich von anderen Menschen. 1 + 1 wird für ihn nicht 2, sondern könnte zum Beispiel 5 sein.
Abnormal Family (1984): Als ich Masayuki Suo bat, eine Geschichte zu schreiben, kam er mit über 300 Seiten wieder. Ich musste ihn fragen „Was würdest du in einem einstündigen Film zeigen?“ Wir haben an einem Ort gedreht, der abgerissen werden sollte, also hatten wir auch nicht viel Zeit. Wir haben das Skript auf 180 Seiten gekürzt und angefangen zu drehen. Es soll ein „pink eiga“ werden, aber es ist eigentlich ein Familiendrama. Als ich sah, dass der Abspann mit dem Pinsel mehr schlecht als recht handgeschrieben war, dachte ich, dass der Film keine Zuschauer finden würde, aber zu meiner Überraschung wurde er ein Hit, und wir haben Gewinn gemacht. Suo hat nur diesen einen „pink eiga“ gedreht und wurde kurz darauf international bekannt. Er hat mich angerufen, um mir zu sagen, dass er seinen nächsten Film in Hawaii drehen wird. Er hat versprochen, mir eine Ananas mitzubringen.