Du bist als Regisseur und Cutter tätig. Wie kamst du ursprünglich zum Film, hast du eine der beiden Tätigkeiten studiert? Wie bewegst du dich zwischen deiner Arbeit als Regisseur und deiner Arbeit als Cutter?
Ich habe ursprünglich eine eher technische Ausbildung beim Fernsehen gemacht und dann mit dem Schneiden einfacher Nachrichtenbeiträge angefangen, später kamen Dokus dazu und über die Jahre kam ich immer wieder mit Leuten vom Film in Kontakt und konnte so mehr und mehr Erfahrungen sammeln und wurde in komplexere Projekte involviert. Später, etwas zu spät, unternahm ich dann noch den Versuch zu studieren, passte aber nicht mehr in das akademische System des ‚Scheinemachens‘ und hab das Studium dann abgebrochen, auch um die Zeit für eigene Projekte zu haben.
Heute besteht für mich die Schwierigkeit darin, nicht gleichzeitig an eigenen Projekten arbeiten zu können und an einem fremden, langen Kinodokumentarfilm, denn für die eigenen Projekte brauche ich eine gewisse Langsamkeit in der Arbeit – viel Zeit zum Verdauen – das geht zeitlich nicht mit aufwendigen Fremdprojekten parallel. Auf der anderen Seite sind gerade diese fremden Projekte notwendig, um die eigenen zu finanzieren.
Als Cutter hast du an sehr unterschiedlichen Projekten gearbeitet, von Fernsehreportagen bis hin zu Spielfilmen, von experimentelleren Formen bis hin zu klassischen Dokumentationen. Wie ist die Arbeit jeweils eine andere, und was für Unterschiede in der Zusammenarbeit gibt es?
Es gibt so viele Formen, wie es Filme und Filmemacher gibt. Grundsätzlich ist für mich bei der Arbeit die Haltung gegenüber dem Material entscheidend – inwiefern ordnet man das Material einer vorgefassten These unter und bebildert dann diese These nur mit Hilfe des Materials oder befragt man das Material, lässt es für sich stehen, um am Ende darin vielleicht so etwas wie eine These zu finden. Die Grenze liegt hier nicht unbedingt zwischen Fernsehen und Dokumentarkino, ich denke, das hängt ganz von der Natur, dem Interesse und dem Mut der Beteiligten ab. Bei Unas preguntas stand das Material immer an erster Stelle. Kristina war dabei sehr offen, denn unser Ziel war nicht unbedingt dieser Film oder überhaupt ein Film, es hätte auch bei einer reinen, zehnstündigen Materialaufarbeitung fürs Archiv bleiben können, aber nach und nach konnten wir sehen, dass das Ganze eine eigene, geschlossene Erzählung anstrebt. Die Gelegenheiten, mit einer solchen Freiheit und Offenheit an die Sache zu gehen, sind allerdings sehr selten.
Sowohl bei Unas preguntas, der dieses Jahr bei uns im Programm läuft, als auch bei Material von Thomas Heise (Forum 2009), ging es darum, Archivmaterial bzw. Material aus der Vergangenheit zusammenzustellen bzw. überhaupt zum ersten Mal zusammenzuschneiden. Inwiefern ist der Umgang mit „alten“ Bildern anders als der mit „neuen“?
Altes Material ist in der Regel sehr viel zerklüfteter, offener würde ich sagen. Es hat sich über die Jahre, bei verschiedenen Gelegenheiten angesammelt und sich womöglich über diesen langen Zeitraum sehr weit vom ursprünglichen Grund seines Entstehens entfernt. Es ist abstrakter und man hat per se einen neutraleren Betrachtungsabstand als bei Neugedrehtem. Dort muss man sich diesen Abstand häufig erst erarbeiten, die Drehidee vielleicht erst komplett verwerfen, um Zugang zu finden. Dazu ist nicht jeder Regisseur bereit, oft fehlt der Mut oder das Vertrauen in das Material selbst.
Du schneidest auch die Filme, bei denen du selbst Regie führst, wie beispielsweise Führung (Forum Expanded 2011), Le beau danger (Forum 2014), oder Aus einem Jahr der Nichtereignisse (Forum 2017, entstanden in Ko-Regie mit Ann Carolin Renninger) – ist der Umgang mit selbstgedrehtem Material ein anderer als der mit Bildern, die man nicht selber gestaltet hat?
Natürlich ist es leichter, Fremdmaterial zu bearbeiten, weil man von Anfang an rigoroser damit umgeht. Bei meinen ersten eigenen Filmen Von der Vermählung des Salamanders mit der grünen Schlange und Jeremy Y. call Bobby O. oder Morgenthau Without Tears habe ich noch zusammen mit zwei sehr erfahrenen Schnittmeistern gearbeitet. Auch aus Angst vor dem eigenen Blick des nach perfekter Bildgestaltung strebenden Kameramanns. Ich habe aber relativ bald gemerkt, dass diese Angst unbegründet ist. Die Prämisse von Cuttern sollte auch niemals sein, den Kameramann oder die Kamerafrau in Schutz nehmen zu wollen, weil hier und da irgendetwas nicht so geklappt hat. Die durch einen Arbeitsschwenk scheinbar misslungene Einstellung kann durchaus brauchbar sein und gerade in der Unsauberkeit einer Einstellung, oder man könnte sagen, an den Rändern der Einstellung, liegt vielleicht eine eigene Bedeutung, ein eigener Zugang, die der Eitelkeit der Bildgestaltung entgangen wären. Der Schlüssel für die Montage bei meinen eigenen Projekten liegt für mich aber in der Vorbereitung des Schnitts. Die genaue Transkription von sowohl Wort als auch vom Ton- und Bildinhalt hilft mir, mich vom selbstgedrehten Material zu distanzieren. Führung, zum Beispiel, ist fast ausschließlich auf dem Papier geschnitten. Durch das ziemlich pedantische Transkribieren, was in der Regel mehr Zeit als die eigentliche Montage verbraucht, entsteht eine Art abstrakte Abschirmung gegenüber den gedrehten Bildern, und der Perfektionismus der Bildgestaltung fällt irgendwann einfach ab. Ganz nebenbei entsteht durch die Transkription aber auch, ganz einfach gesagt: ein ziemlich interessanter Text, der sich betrachten und unabhängig vom filmischen Medium weiter verwenden lässt.
Mit welchen Computerprogrammen oder Werkzeugen arbeitest du? Deine eigene Filme hast du auf Film aber auch digital gedreht, schneidest du sowohl analog als auch digital und wie ist da der Unterschied?
Ich habe alle Filme digital geschnitten, mit dem nicht mehr erhältlichen Final Cut Pro 7. Einen Film komplett analog zu produzieren, würde mich reizen, wäre aber sicher sehr kostspielig heutzutage.
Hast du als Cutter Vorbilder?
Nein, keine. Man klaut überall, immer mal ein bisschen.
(Interview: James Lattimer)