A Pink Tribute to Keiko Sato
Abnormal Family
Masayuki Suo, 1984, 63 min
Gushing Prayer
Masao Adachi, 1971, 74 min
Inflatable Sex Doll of the Wastelands
Atsushi Yamatoya, 1967, 86 min
Keiko Sato und der japanische „pink film“
Asakura Daisuke ist das männliche Pseudonym der heutigen Präsidentin der japanischen Produktionsfirma Kokuei: Keiko Sato (geb. 1939). Das Pseudonym sollte lange Zeit die Tatsache verschleiern, dass eine Frau in der männerdominierten Industrie des „pinku eiga“ (Pink Film) tätig ist. Der Name Asakura Daisuke beinhaltet ein Wortspiel: „Asa kara daisuki“ heißt so viel wie „große Liebe bereits am Morgen“.
Der Begriff „pinku eiga“ wird häufig irrtümlicherweise für alle japanischen Erotikfilme verwendet. Dabei umfasst die Bezeichnung genaugenommen nur die unabhängig, mit geringem Budget produzierten, softpornografischen Kinofilme, die seit den frühen 1960er Jahren bis heute hergestellt werden. Diese Filme werden in erster Linie für die Auswertung in speziellen Kinos für Erwachsene produziert. Bis zur kürzlich erfolgten Umstellung der Kinos auf digitale Vorführformate wurden die Filme auf 35-mm-Material gedreht (nur Bild, der Ton wurde nachsynchronisiert) und vorgeführt.
Anders als bei Videos kann man den Film im Kino nicht vorspulen, sodass Filme des Pink-Film-Genres das Interesse des Publikums zwischen den jeweiligen Sex- oder Nacktszenen mithilfe anderer Mittel aufrechterhalten müssen – zum Beispiel durch eine Handlung. Die Leitlinie, der die Filme folgen, gibt in einem standardisierten Zeitrahmen von 60 bis 90 Minuten eine feste Anzahl von Höhepunkten vor. Diese Formatierung lässt Regisseuren eine gewisse Freiheit zum Experiment, während zugleich die strengen Auflagen der japanischen Filmzensurbehörde, wo bis vor Kurzem selbst Schamhaar tabu war, verhindern, dass diese Filme als reine Pornofilme eingestuft werden.
Echte Farbexplosionen
Die Geburtsstunde des Pinku-Eiga-Genres geht auf den Kinostart des Films NIKUTAI NO ICHIBA (FLESH MARKET, 1962) von Satoru Kobayashi zurück. Der Film wurde von der unabhängigen Produktionsfirma Okura Eiga produziert, die heute unter dem Namen OP Eiga das produktivste der wenigen noch existierenden Unternehmen auf diesem Gebiet ist. Die Polizei durchsuchte damals das Aufführungskino von FLESH MARKET und beschlagnahmte alle Kopien des Films. Der daraus resultierende Skandal führte zu einer regelrechten Explosion von Low-Budget-Filmen mit ähnlich anzüglichem Inhalt. Kamen 1962 nur vier Filme dieses Genres ins Kino, stieg ihre Beliebtheit so rapide, dass 1965 bereits erstaunliche 213 Filme realisiert wurden. Noch um die Jahrtausendwende wurden jährlich rund einhundert Pink-Filme hergestellt; seither ist die Zahl allerdings stark rückläufig.
Der Begriff „pinku eiga“ wurde von Minoru Murai, einem Journalisten der „Naigai Times“, geprägt, der sich – anstelle des „Blue Ribbon Awards“, den die Presse an einen Film des japanischen Mainstream-Kinos verlieh – scherzhaft für die Auslobung eines „Pink Ribbon Awards“ für diese neue Art von Filmen aussprach. In der Anfangszeit der noch jungen Pinku-Eiga-Industrie kursierte eine Vielzahl unterschiedlicher Umschreibungen, darunter „eroductions“ (eine Kombination aus den Worten „erotic production“) oder auch „sanbyakuman eiga“ (Drei-Millionen-Yen-Filme), was sich auf die minimalen Produktionsbudgets der Filme in Höhe von 30.000 bis 40.000 US-Dollar bezog.
Die Bezeichnung „dokuritsu eiga“ für den unabhängigen Film war wiederum eine euphemistische Umschreibung für Filme mit niedrigem Budget, die außerhalb des japanischen Studiosystems entstanden und deren einzige Attraktion darin bestand, dass sie nackte weibliche Haut zeigten. Die geringen Budgets sorgten für eine der ersten stilistischen Besonderheiten der Pinku-Eiga-Filme: Zunächst in Schwarz-Weiß gedreht, entstanden nach fünf Jahren Filme mit Farbfilmpassagen. Auf diese Weise ereigneten sich auf den Leinwänden während der aufregendsten Szenen regelrechte Farbexplosionen. Die ersten vollständig in Farbe realisierten Pinku-Eiga -Filme entstanden erst in den frühen 1970er Jahren.
Der erste „weibliche Tarzan-Film“
Eine der ersten Produktionsfirmen, die Filme für den neuen Markt produzierten, war Kokuei. Die Firma war 1955 von Teruo Yamato mit dem Ziel gegründet worden, Dokumentarfilme für das Bildungsministerium herzustellen. Keiko Sato, deren Vater zu den drei Firmengründern gehörte, begann 1962 für die Firma zu arbeiten, als die Firma mitten in einer Krise steckte: Eine Reihe von Mitarbeitern war wegen Verbreitung obszönen Materials verhaftet worden, nachdem Kokuei unter Umgehung der japanischen Zensurbehörde Eirin internationale Striptease-Filme importiert hatte. Die erste Produktion der Firma war der „weibliche Tarzan-Film“ von Seki Koji JOYOKU NO TANIMA (VALLEY OF LUST, 1963), womit Kokuei sich als einer der Hauptakteure innerhalb der aufstrebenden Industrie positionierte.
In den 1960er Jahren setzte sich der Pink Film mit oftmals subversiven oder unverhohlen politischen Handlungselementen immer stärker vom japanischen Mainstream-Kino ab. Das galt auch für die Filme, die unter der Regie von Koji Wakamatsu entstanden bzw. von ihm produziert wurden. Mit der – ohne offizielle Genehmigung der japanischen Filmproduzenten-Vereinigung erfolgten – Aufführung seines Films KABE NO NAKA NO HIMEGOTO (SECRET ACTS BEHIND WALLS, 1965) auf den Filmfestspielen von Berlin verhalf Wakamatsu dem Genre erstmals zu internationaler Aufmerksamkeit. Die japanische Presse bezeichnete den Film als „nationale Schande“. Der Regisseur und Drehbuchautor Madao Adachi, der ab dem Folgejahr für Wakamatsus Firma arbeitete, zog jedoch bald das Interesse namhafter Vertreter der Japanischen Neuen Welle auf sich, darunter von Nagisa Oshima, mit dem Wakamatsu und Adachi 1971 nach Cannes fuhren, um dort seine Filme SEIZOKU: SEKKUSU JAKKU (SEX JACK, 1970) und OKASARETA BYAKUI (VIOLATED ANGELS, 1967) zu präsentieren.
Eine neue Generation
Der Pink Film hielt sich - trotz der als „Roman Porno“ bekannten, auf Hochglanz polierten Mainstream-Erotikfilme, die die Firma Nikkatsu in den 1970er Jahren herstellte, trotz des Aufkommens der Pornovideo-Industrie zehn Jahre später. In den 1980er Jahren diente dieser Produktionsbereich der japanischen Filmindustrie als Trainingsfeld für eine Reihe von Regisseuren, die später erfolgreiche Karrieren im Mainstream-Film absolvierten, darunter Ryuichi Hiroki, Rokuro Mochizuki, Masayuki Suo sowie Yojiro Takita, dessen DEPARTURES 2009 mit einem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet wurde.
Mit Kaoru Umezawas JUDAI NO SHINGIN (MOAN OF A TEENAGER) produzierte Keiko Sato 1965 ihren ersten Film. 1982 übernahm sie die Firmenleitung von Kazuyoshi Yamato, dem Sohn des ursprünglichen Gründers von Kokuei. Bis dahin hatten verschiedene Produzenten unter dem Pseudonym Daisuke Asakura gearbeitet. Ab 1982 blieb es ausschließlich Keiko Sato vorbehalten.
Sie unterstützte Regisseure, denen an einer individuelleren, künstlerischen Handschrift bei ihren Pinku-Eiga-Filmen gelegen war. Zum Beispiel produzierte sie Masayuki Suos HENTAI KAZOKU: ANIKI NO YOMESAN (ABNORMAL FAMILY, 1984). In den 1990er Jahren förderte sie die Regisseure Kazuhiro Sano, Hisayasu Sato, Toshiki Sato und Takahisa Zeze, die auch als „shitenno“ bezeichnet wurden („The Four Devils“ oder „The Four Kings of Pink“, auf Deutsch: „Die vier Teufel“ bzw. „Die vier Könige des Pink“). Alle vier waren angetreten, um die Genre-Konventionen mit einer Mischung aus Formexperimenten, Politik und avantgardistischen Erzählformen zu hinterfragen. Die Arbeiten dieser Regisseure sind auf zahlreichen internationalen Filmfestivals gelaufen. An diese Tradition schließt auch eine jüngere Generation von Regisseuren mit einem jeweils ganz persönlichen Stil an, allen voran Shinji Imaoka, Yuji Tajiri und Mitsuru Meike. 2005 kam Meikes Satire auf die US-amerikanische Irak-Invasion, HANAI SACHIKO KAREI NA SHOGAI (THE GLAMOROUS LIFE OF SACHIKO HANAI, 2004) in die US-amerikanischen Kinos, während Imaoka bei der deutschen Koproduktion UNDER WATER LOVE Regie führte.
(Jasper Sharp)