Gespräch mit Nawapol Thamrongrattanarit: „Ich glaube, dass der Tod letztlich nichts Schweres ist“
Was war der Ausgangspunkt für DIE TOMORROW?
Nawapol Thamrongrattanarit: Früher habe ich nicht viel an den Tod gedacht, aber in den vergangenen fünf Jahren war ich bei vielen Beerdigungen von Freunden. Sie sind aus verschiedenen Gründen jung gestorben. Deshalb habe ich das Gefühl, dass der Tod näher ist, als ich dachte. Wir werden niemals wissen, wann es so weit ist. Es könnte schon in fünf Minuten sein. Unser letzter Moment ist im Grunde etwas ganz Normales, Alltägliches, deshalb wollte ich den Tag vor dem Sterben näher untersuchen. Ich halte ihn für den wichtigsten Tag in unserem Leben. Die Arbeit am Drehbuch und die Zeit der Fertigstellung des Films waren für mich eine gute Gelegenheit, um mich in Ruhe mit dem Tod zu beschäftigen.
Die Geschichten in Ihrem Film basieren auf Nachrichtenmeldungen zum Thema Tod. Wie sind Sie beim Verfassen des Drehbuchs vorgegangen, wie haben Sie den Film strukturiert?
Ich habe diese Meldungen viele Jahre lang gesammelt und das Drehbuch auf der Basis meiner daraus gewonnenen Erkenntnisse geschrieben. Es war mir wichtig, dass jede Episode des Films möglichst authentisch wirkt, deshalb beschloss ich, sie jeweils in einer einzigen langen Einstellung zu drehen, die ein Gespräch zeigt. Es sollte einen ganz unspektakulären Charakter haben, interessant, aber nicht zu speziell – was ziemlich schwierig ist. Man muss die verschiedenen Elemente in ein Gleichgewicht miteinander bringen. Es ist tatsächlich leichter, ein Drehbuch zu schreiben, das von einer Handlung vorangetrieben wird.
Neben den einzelnen Geschichten enthält der Film auch Found Footage und Teile von Interviews. Welche Rolle spielen diese Elemente in dem Film?
Ich wollte keinen Episodenfilm drehen. Die sechs Kurzfilme habe ich in DIE TOMORROW so miteinander kombiniert, dass daraus ein essayistischer Erzählansatz entstanden ist. Der Film ist wie ein Archiv des Todes: Er enthält fiktionale Kurzfilme, Interviews, kurze Clips, Tonaufnahmen und Statistiken.
Obwohl das Thema natürlich ernst ist, wirkt der Film weder schwer noch düster. Was für ein Grundton schwebte Ihnen vor, und wie haben Sie es geschafft, ihn zu halten?
Ich wollte, dass dieser Film langsam und ruhig ist und dem Publikum Raum und Zeit gibt, seinen Gedanken nachzuhängen, während es ihn sieht. Ich glaube, dass der Tod letztlich nichts Schweres ist. Er gehört einfach zum Leben, dem müssen wir uns alle stellen. Das Wichtigste ist, wie wir hier und heute leben. DIE TOMORROW ist kein sentimentaler Film über den Tod.
Mit vielen der Schauspieler*innen in dem Film haben Sie bereits früher gearbeitet. Was war der Grund für diese Wahl? Und wie gestaltete sich die erneute Zusammenarbeit bei diesem aktuellen Projekt?
Entsprechend dem Thema des Films bin ich vorgegangen, als wäre dies mein letztes Projekt, bevor ich sterbe. Deshalb wollte ich, dass in DIE TOMORROW alle Schauspieler*innen aus meinen bisherigen Filmen mitwirken. Bei einer Beerdigung kommen alle Freunde zusammen. Das gilt auch für diesen Film. Es hat Spaß gemacht, all die alten Bekannten in einem unabhängigen Filmprojekt zu vereinen, bei dem weniger die finanziellen Interessen einer Produktionsfirma im Vordergrund standen als bei den Studiofilmen, die wir gemeinsam gemacht haben. Wir haben einfach ohne jeden Druck zusammengearbeitet, und die Mitwirkenden hatten die Gelegenheit, ganz neue, ungewohnte Rollen zu übernehmen. Das Ergebnis waren großartige schauspielerische Leistungen.
Ihren letzten Film haben Sie gemeinsam mit einer Produktionsfirma realisiert. Was brachte Sie dazu, mit DIE TOMORROW wieder zum unabhängigen Filmemachen zurückzukehren?
Ich wechsle ständig zwischen diesen beiden Arbeitsweisen. Die Entscheidung für die eine oder die andere hängt für mich von den Besonderheiten des jeweiligen Projekts ab. DIE TOMORROW ist ein eher persönlicher und experimenteller Film, deshalb habe ich ihn selbst produziert. Im nächsten Jahr werde ich wieder einen Film mit einer Produktionsfirma drehen.
Wie haben Sie diesen Film finanziert?
Wir haben Unterstützung vom thailändischen Kultusministerium, von der Postproduktionsfirma sowie von einer Foundation erhalten, die unabhängige Filme fördert.
(Interview: Asian Shadows)