Gespräch mit Mónica Lairana: „Ich kann mit dieser Forderung nach Schnelligkeit nichts anfangen“
Wie entstand die Idee zu LA CAMA?
Mónica Lairana: Der Ausgangspunkt dieses Films war eine Trennung in meinem Leben. Ich habe niemals zuvor einen so herzzerreißenden Schmerz empfunden. Das brachte mich dazu, darüber nachzudenken, um wie viel größer der Trennungsschmerz für Paare sein muss, die viele Jahre gemeinsam miteinander verbracht haben. In mir wuchs das Interesse, die Trennung eines Paares filmisch zu beschreiben, das sein gesamtes Leben miteinander verbracht hat. Dabei wollte ich mich auf die Intimität der letzten Stunden dieses gemeinsamen Lebens konzentrieren, auf den Zeitraum nach den Kriegen, Kämpfen und Vorwürfen, auf den Moment, an dem die Entscheidung nur noch akzeptiert werden kann und der andere wieder als fremde Person wahrgenommen werden muss. Ich wollte diese Situation in einem Zeitrahmen von 24 Stunden verdichten und die beiden Figuren in dem Haus agieren lassen, in dem sich ihr gemeinsames Leben abgespielt hat. Die Welt um sie herum sollte einen Moment lang stillstehen, damit es den beiden Figuren ermöglicht wird, diesen letzten Übergang gemeinsam zu vollziehen. Ich wollte den Prozess der Auflösung zeigen, die Demontage einer Beziehung ohne Wortgefechte oder Streitigkeiten, und mich dabei auf die kleinen Gesten, die Blicke, die Gefühle und die Wunder des Alltags konzentrieren. Im Vordergrund standen für mich vor allem die von Gefühlen zerstörten Körper der Figuren.
Welche Rolle spielt die Nacktheit in ihrem Film?
Die Darstellung von Nackten – der Akt – ist ein eigenes künstlerisches Genre, mit dem ich mich in meiner Arbeit immer wieder auseinandergesetzt habe. In erster Linie interessiere ich mich für den Akt, der sich über traditionelle Konzepte hinwegsetzt und seine Essenz jenseits von konventionellen Vorstellungen von Schönheit zum Vorschein bringt. Ich möchte echte Körper zeigen mit all den Spuren, die die Zeit in sie eingeschrieben hat. Es geht mir um die Fülle ihrer Falten und Runzeln, um die Geschlechtsteile, die sich der Kamera mit der Stärke und Kraft des Wahren und Aufrichtigen offenbaren, und um die Natürlichkeit, die sie in den Film bringen. Die nackten Körper lassen auch andere, subtilere Lesarten zu, zum Beispiel kann man hier das Thema der Angst vor dem Älterwerden sehen. Das Bild von einem nackten Menschen setzt im Allgemeinen einen Moment der Intimität voraus, es erzeugt eine Quasi-Privatheit, die ich mit allen mir zur Verfügung stehenden formalen Mitteln ausgestalten wollte. Ich sehe in einem Nackten einen Menschen, der sein Innerstes nicht verstecken kann oder will, der ohne falsche Scham zu sagen wagt: „Das bin ich, so bin ich geboren und so werde ich sterben.“ So sind wir wirklich. Ich wollte, dass die Figuren meines Films sich in dieser komplexen, schmerzhaften Situation vollkommen entblößt und unverstellt begegnen.
Warum haben sich für diese sehr besondere Art der Inszenierung entschieden, um den Schmerz ihrer Figuren darzustellen?
Mónica Lairana: In diesem Film übernimmt der Zuschauer die Position eines Voyeurs, eines Zeugen, der die Intimität zwischen den beiden Protagonisten aus einer gewissen Distanz betrachtet. Ich wollte das Gefühl des Ausspähens dieser Intimität und eines privaten Lebens – mit allem was dazugehört: essen, miteinander schlafen, duschen, sich anziehen, weinen und schlafen – verstärken. Der Film entwickelt sich, je mehr der Zuschauer die Rolle des Voyeurs einnimmt und sich – beinahe ohne sich dessen bewusst zu sein – auf die Intimität einlässt, die er beobachtet. Vor diesem Hintergrund entschied ich mich für eine Reihe von Verfahrensweisen, die in gewisser Weise mit dem beobachtenden Kino verbunden sind. So dokumentiert zum Beispiel die Kamera intime Geschehnisse, ohne einzugreifen, aus einer selbstgewählten Distanz, um so ein starkes Moment von Wahrhaftigkeit in die filmische Erzählung zu bringen. Auch die Entscheidung für das filmische Mittel der Plansequenz trägt dazu bei, dass der Betrachter das Gefühl bekommt, eine Situation oder einen Menschen auszuspionieren, fast so, als wäre die Kamera gar nicht anwesend. Den Schmerz eines anderen Menschen heimlich zu beobachten, ist ebenso unangenehm wie unangemessen, zugleich aber ein starkes Gestaltungsmittel des Kinos mit tiefgreifenden Auswirkungen auf den Zuschauer.
Wie hat sich der besondere Rhythmus des Films entwickelt?
Meiner Meinung nach leben wir heutzutage in einer Welt, in der die Geschwindigkeit der Technologie uns glauben macht, es sei ein Fehler, den eigenen Schritt zu verlangsamen. Wir erlauben uns die Ruhe und Klarheit des stillen Betrachtens der Dinge nicht, die unabdingbar ist, wenn wir der Welt und den Menschen um uns herum mit Mitgefühl begegnen wollen. Ich kann mit dieser Forderung nach Schnelligkeit nichts anfangen. Tiefes Nachdenken und die Auseinandersetzung mit anderen Denkweisen sind nur möglich, wenn wir darauf verzichten, allzu schnell zu antworten und den Impuls innezuhalten zu negieren.
Gerade in den Momenten des Innehaltens, der Verzögerung, eröffnet sich uns auf geradezu magische Weise die Möglichkeit, uns selbst wahrhaftig als Menschen wahrzunehmen. Heutzutage eilen die Menschen durchs Leben und häufen Verpflichtungen an, nur um keine Zeit zum Nachdenken über das Leben und sich selbst zu haben. Häufig trennen Paare sich nach Urlauben, weil sie in dieser Zeit gezwungen waren, das Lebenstempo zu drosseln, das eigene Leben und sich selbst darin zu betrachten, weil sie viel Zeit miteinander verbracht haben ohne Arbeit, die normalerweise den Tag bestimmt und dem Nachdenken im Weg steht. Sich dem Innehalten zu stellen, den Blick auf einer Sache ruhen zu lassen – das interessiert mich in Bezug auf mein eigenes Leben, aber auch auf das Filmemachen. Auch als Zuschauer verspüre ich keine Eile. Es müssen nicht alle Fragen beantwortet werden, auch das Leben hält nicht alle Antworten bereit.
Wie gestaltete sich die Arbeit mit den Schauspielern? Welche Bedeutung haben ihr Schweigen und ihre Blicke in LA CAMA? Und die Arbeit mit dem Körper?
Ich bin seit 15 Jahren als Schauspielerin tätig. In dieser Zeit habe ich gelernt, dass der menschliche Körper über eine eigene Sprache verfügt, mit der er Ideen, Gefühle oder Gedanken vermittelt. Der Körper ist das grundlegende, entscheidende Instrument jeglicher Erzählung. Aus diesem Grund wollte ich mit meinem Film vor allem um die Körper der beiden Protagonisten kreisen, in die sich Gefühle der Verwirrung und tiefe Traurigkeit eingegraben haben. Auch wenn der Film von Verzweiflung, Einsamkeit und dem Ende der Liebe handelt, sind es doch die beiden alten, faltigen Körper, die Nähe und gleichzeitig die Distanz zwischen ihnen, aber auch die Schwingungen, die es immer noch zwischen ihnen gibt, die die Entwicklung des Films vorantreiben.
Die Arbeit mit den Schauspielern war großartig. Wir waren alle von dem überzeugt, was wir taten. Vor den Dreharbeiten haben wir uns lediglich mit Körpertraining beschäftigt, um die Alltäglichkeit, die Natürlichkeit zu entwickeln, die wir benötigten. Alles musste so wirken, als würden sich die Körper der beiden schon ein ganzes Leben lang kennen. Beide mussten sich mit dem Körper des anderen wohlfühlen. Wir probten einzelne Szenen, um eine Beziehung zwischen den beiden Protagonisten aufzubauen, die auch durch Blicke und in Momenten der Stille entstehen sollten. Die Entwicklung der Geschichte mittels Worten und Dialogen interessierte mich nicht, wichtiger war mir die präzise Beobachtung der Körper in jeder einzelnen Situation. Wir haben diese intensive Zusammenarbeit genossen. Sandra Sandrini und Alejo Mango sind zwei großartige Schauspieler, die sich mit unglaublicher Intensität auf die Arbeit einlassen und einen wunderbaren Humor besitzen.
Inwiefern hat Ihnen Ihre Erfahrung als Schauspielerin bei der Regiearbeit geholfen?
Am wichtigsten war es, eine offene und ernsthafte Beziehung zwischen den beiden Protagonisten aufzubauen. Von wesentlicher Bedeutung für das Ergebnis unserer Arbeit war es, dass ich meine Vorstellungen in unseren Gesprächen und während der Probenarbeit ganz und gar transparent gemacht habe. Als Schauspielerin habe ich mitunter die Erfahrung gemacht, dass Regisseure ihre Absichten bezüglich der Inszenierung kaum kommuniziert haben; das kann dazu führen, dass Schauspieler*innen eine Abwehrhaltung einnehmen, vor allem, wenn es um Nacktszenen oder um Szenen geht, in denen man sich in besonderer Weise öffnen muss.
Ich bin überzeugt davon, dass Schauspieler*innen Verbündete sind und dass es von größter Wichtigkeit für die Beziehung zwischen Regisseur*in und Schauspieler*innen ist, direkt über das zu sprechen, was man als Regisseur*in zeigen möchte und von den Schauspieler*innen erwartet, und wie man mit ihren Körpern und Gefühlen umgehen wird. Ich bin ein Feind der Manipulation von Schauspieler*innen am Drehort – als ob sie als einzige Mitglieder des Teams nicht in der Lage wären zu verstehen, was zu tun ist, um den Film bestmöglich zu unterstützen. Ich arbeite gern mit Schauspieler*innen, die ihr Ego nicht über die jeweilige Arbeit stellen, die verstehen, dass es, um einen Film zu realisieren, der Summe vieler Elemente bedarf, zwischen denen es keine Hierarchie gibt, sondern die alle ihren Platz haben und sich zu einer Gesamtheit formen müssen. Der Umstand, dass ich die Sprache der Schauspieler*innen verstehe, erleichtert die Arbeit zweifellos. Zu erfassen, was sie verstehen oder mit ihren Körpern tun müssen, um die nächste Szene zu spielen, ist hilfreich, sogar eine Voraussetzung. Auch wenn die Zeit knapp ist, kann es wichtig sein zu warten, bis der einzelne Darsteller bzw. die einzelne Darstellerin bereit ist. Erst dann kann man sicher sein, dass er oder sie ihr Bestes geben wird – und das wiederum wird zu einer guten Aufnahme führen.
(Interview: P. Andrés)