Gespräch mit Machérie Ekwa Bahango: „Ich wollte eine andere Seite des Lebens auf der Straße zeigen“
Dorothee Wenner: MAKI’LA ist Ihr erster Spielfilm. Wie begann das Projekt? Was hat Sie darauf gebracht, einen Film über junge Menschen zu drehen, die auf den Straßen von Kinshasa leben?
Machérie Ekwa Bahango: Meine persönlichen Erfahrungen und Begegnungen. Ich habe entdeckt, dass Kinder und Teenager, die auf der Straße zu Hause sind, viele Träume haben; sie erleben Freundschaften und Liebesgeschichten. Ungeachtet der erschreckenden Vorstellungen, mit denen viele Menschen das Dasein in der Obdachlosigkeit verbinden, findet man im Alltag der jungen Leute auf der Straße die ganze Bandbreite menschlicher Gefühle. Das ist es, was ich der Welt in meinem Film zeigen wollte: eine andere Seite des Lebens auf der Straße, die unseren Erwartungen ganz und gar nicht entspricht.
Sie haben das Drehbuch für den Film selbst geschrieben. Wie haben Sie recherchiert? Die Geschichte ist ja ziemlich rau, sie erzählt ja auch von extremer Armut, Drogenkonsum, Diebstahl und Gewalt. Inwiefern haben Sie versucht, den Film realistisch, fast dokumentarisch, zu inszenieren? An welchen Stellen haben Sie die Realität der Straße dramaturgisch zugespitzt, um zusätzliche Spannung in den Film zu bringen?
Mir ging es darum, die Geschichte einer leidenschaftlichen Freundschaft und Liebe zwischen zwei jungen Frauen zu erzählen. Als ich überlegte, wie ich das besondere Universum ihres Milieus in meinem Film darstellen wollte, dachte ich immer wieder an eine bestimmte Bande von Straßenkindern, der ich früher einige Male begegnet war. Danach habe ich sie allerdings nie wiedergesehen. Die Erinnerung an diese Bande hat mich inspiriert. Der Begegnung mit diesen Kindern verdanke ich die Entdeckung, dass im Leben auf der Straße Armut und Freiheit auf besondere Art und Weise miteinander verschmelzen. Ich wollte von den Träumen, von Liebe und Freundschaft erzählen, ohne jedoch die Realität des Lebens auf der Straße zu ignorieren. All diese Ebenen wollte ich in dem Film mit meinen Träumen, meinem künstlerischen Stil verbinden. Auch die Figuren habe ich so weit wie möglich ausgehend von meiner eigenen Person entwickelt; ich habe mich in ihre Situation hineingedacht, vor allem in Bezug auf die beiden Protagonistinnen. Ich stellte mir vor, wie ich mich in ihrer Lage verhalten würde. Ich wollte die Träume, die uns verbinden, mit ihnen teilen.
Wer sind Ihre Darsteller und Darstellerinnen?
Es sind überwiegend unbekannte Darsteller und Darstellerinnen. Ich habe sie für den Film gesucht, und einige Monate vor den Dreharbeiten haben wir mit den Proben begonnen. Sie haben alle immer sehr diszipliniert gearbeitet.
Kinshasa ist eine große Metropole, die man jedoch selten im Kino sieht. Sie inszenieren in Ihrem Film die Stadt selbst auch wie eine Figur. Worauf haben Sie dabei besonderen Wert gelegt?
Kinshasa ist eine sehr warmherzige Stadt. Genauso wollte ich diese Stadt zeigen, von der ersten Szene an. Diese Absicht hat auch alles Weitere bestimmt: die Wahl der Drehorte, die Kameraführung, die Kostüme, die Arbeit mit den Darsteller*innen, die Sprache. Ich wollte, dass man sich als Zuschauer mit der Realität in Kinshasa identifizieren kann.
Für die meisten Bewohner von Kinshasa dürfte die Präsenz von Kamerateams eher ungewohnt sein. Gab es Probleme beim Drehen? Oder – genauso wichtig – haben Sie vielleicht besondere Unterstützung erfahren?
Interessanterweise hat sich die kongolesische Einwohnerschaft sehr kooperativ gezeigt, man hat mich in meinem Vorhaben immer sehr bestärkt. Viele wollten sogar in dem Film mitwirken, sie kamen zum Set und machten Fotos mit uns. Überall, wo wir vorbeikamen, wünschte man uns Glück für die Fertigstellung und für den Start des Films. Ganz sicher bin ich nicht, aber dieses Verhalten hatte vielleicht auch mit dem Erstaunen vieler zu tun, eine junge Frau als Regisseurin zu sehen. Ich erinnere mich beispielsweise daran, wie wir die Marktszenen drehten – und die Händler ihre Kundschaft überredeten, als Komparsen mitzuspielen. Es war fast wie ein Schock für mich, als es für den eigentlichen Dreh plötzlich ganz ruhig auf dem Markt wurde. Ich war den Leuten unendlich dankbar. Andererseits gab es zweimal Begegnungen mit der Polizei. Zum Glück hatten wir unsere Drehgenehmigung dabei.
In Kinshasa gibt es derzeit viele Anzeichen dafür, dass sich eine neue Filmszene formiert – vor allem unter den jungen Produzent*innen, Filmemacher*innen und Schauspieler*innen herrscht eine interessante Aufbruchstimmung. Was sind Ihre Hoffnungen für das neue kongolesische Kino?
Jeden Tag spielen sich in Kinshasa so viele interessante Dinge ab – warum sollten wir anderswo hingehen, um Geschichten zu suchen, die es zu erzählen lohnt. Unser Ziel ist es, unsere Filme so zu erzählen, dass das kongolesische Publikum sich mit ihnen identifizieren kann. Es soll sich durch unsere Vorstellung vom Kino repräsentiert fühlen.
(Interview: Dorothee Wenner, Januar 2018)