Zur Restaurierung von 11 X 14
11 X 14 wurde 2017 vom Österreichischem Filmmuseum (Wien) in Partnerschaft mit dem Arsenal – Institut für Film und Videokunst e.V. (Berlin) restauriert.
Der 2K-Scan und die digitale Bildrestaurierung, basierend auf dem 16mm-Umkehroriginal, erfolgten durch das Österreichische Filmmuseum in Zusammenarbeit mit James Benning. Das 16mm-Lichtton-Negativ wurde von L’Immagine Ritrovata (Bologna) digitalisiert.
Die Restaurierung ergab ein neues 35mm-Sicherungsnegativ, eine 35mm-Kopie (produziert von Labotarório ANIM – Cinemateca Portuguesa – Museu do Cinema, Lissabon) sowie ein DCP für die digitale Projektion.
Über Kreuz
Hinter 11 X 14 stand die Absicht, einige Ideen auf eine Art und Weise zu formulieren, von der man gemeinhin denkt, sie stünde im Widerspruch zu den Ideen selbst. Diese Widersprüche erzeugen ein ständiges Gefühl des Paradoxen.
Ich wollte einen erzählenden Film machen, der sich vor allem mit den Elementen von Form und Struktur beschäftigt; das heißt, die Komposition, Farbe, Stofflichkeit der Bilder, der Raum im Bild und außerhalb des Bildes sollten die eigentliche Erzählung ergeben und gleichzeitig die Geschichte in den Hintergrund drängen. Die zugrundeliegende Geschichte versucht nicht, Realität abzubilden, sondern einen Kontext herzustellen, innerhalb dessen jede Person mit den formalen und metaphorischen Elementen des Films in eine Beziehung treten kann. Die Erzählung ist absichtlich offen und mit einem offenen Ende versehen, um zu betonen, dass die Realität des Films nicht allein aus dem Film selbst, sondern aus der Erfahrung jedes Einzelnen kommen sollte, der den Film sieht; jeder Zuschauer sollte aus dem Film seine eigenen Metaphern entwickeln. Der Stil des Films – die Verwendung realer Zeit und einer dokumentarischen, stationären Kamera – widerspricht jedoch der Idee einer Metapher.
11 X 14 versucht, ein sphärisches Raum-Zeit-Kontinuum herzustellen. Die Montagestruktur betont die linearen Eigenschaften des Films; es ist aber zu hoffen, dass die Szenen sich durch die Wiederholung bestimmter ikonischer Zeichen, Töne und Ereignisse zusammenschließen und Beziehungen über Kreuz (statt durch einfache Gegenüberstellung) entstehen. (James Benning, 1977)
Chronik einer unerklärten Reise
Stellen Sie sich einen Film vor, der aus so vielen einzelnen Handlungsfragmenten besteht, wie es Einstellungen gibt. Stellen Sie sich vor, dass jedes dieser Fragmente eine Beziehung zu einem anderen andeutet. Aber mit den Hinweisen hat es keine so einfache Bewandtnis; einige mögen falsch sein; andere sind zu gut, um nützlich zu sein; und einige mögen ein Mysterium andeuten, wo es in Wirklichkeit nichts aufzudecken gibt. Wenn Sie sich dies vorstellen, haben Sie begonnen, sich 11 X 14 vorzustellen, einen schönen Film von großer Originalität. Aufgebaut aus einzelnen Sektionen, die einen auf die Folter spannen und dazu einladen, sie zusammenzusetzen, ist 11 X 14 die bizarre Chronik einer unerklärten Reise durch das Land und der Aufenthalte, von denen sie unterbrochen wird.
(Aus der Ankündigung des Museum of Modern Art, New York, anlässlich der Aufführung des Films in der Reihe „New Directors, New Films“ im April 1977)
Mehr als „echt“
Endlich – der erste Film aus dem Mittleren Westen.
James Benning hat vor 11 X 14 (einem Film mit abendfüllender Länge) 19 Kurzfilme gedreht. Er hat Wettbewerbe gewonnen und seine Filme mindestens dreimal in New York gezeigt. Für mich ist er ein neuer Filmmacher, denn bis vor zwei Monaten hatte ich noch nie von ihm gehört. Das ist ein echtes Problem für die Anhänger des unabhängigen Films und insbesondere für Filmemacher, die erst in den siebziger Jahren zu arbeiten begonnen haben und außerhalb von New York leben. Es gibt so viele Filme, aber keinen wirklichen Sprecher für sie. Das Publikum des unabhängigen Films ist nicht sehr groß, aber es findet sich inzwischen in allen Städten des Landes. Und zwischen New York und anderen Filmzentren gibt es nur wenig Kontakt.
So war es ein Zufall, dass ich Jim Bennings Film sah, ein aufregender Zufall. Denn 11 X 14 etabliert Benning als einen bedeutenden amerikanischen Filmemacher.
Mit einem brillanten Blick, der geformt ist von Pop-Art und minimalistischer Malerei der letzten zehn Jahre als auch durch die Erfahrung des Mittleren Westens (dem die Bildwelt dieser Malerei viel verdankt), hat Benning einen amerikanischen Landschaftsfilm gemacht – einen Film über Landschaften, die von den Autobahnen und Hochspannungsleitungen, die sie durchqueren, zunächst beherrscht und dann geradezu erdrückt werden. Seine Hauptdarsteller sind Autos, Züge und Flugzeuge. Ihren Schuss bekommen sie an der Tankstelle; ihr Lesestoff sind Reklametafeln und Straßenschilder. Bei der Vorführung im Museum of Modern Art sprach jemand von der „Choreographie der Lastwagen“.
Der Film wurde mit der Kamera auf einem Stativ aufgenommen. Es gibt einige Schwenks, ein paar Einstellungen von sich bewegenden Fahrzeugen aus. Benning benutzte durchweg ein 10mm-Weitwinkel-Objektiv, das einen flachen Raum erzeugt, in dem man auf paradoxe Weise mehr als sonst auf die Tiefe aufmerksam wird. Die Farbe (das Material ist Ektachrome Commercial) wurde im Kopierwerk sorgfältig kontrolliert und ist unglaublich lebendig: Blau-, Rot-, Gelb- und Grüntöne. Die Einstellungen sind zwischen ein paar Sekunden und elf Minuten lang. Die Choreografie des Films wurde vor den Dreharbeiten fast vollständig in einem Drehbuch festgelegt. Der Ton ist aufs Genaueste nachsynchronisiert, sodass man mit der Zeit bemerkt, dass hier mehr als bloßer „Synchronton“ vorliegt, ebenso wie die Farbe auch mehr als „echt“ ist. Die meisten Bildkompositionen sind symmetrisch; die Kamera steht rechtwinklig zum Horizont. Der Raum wird gewissermaßen in jeder Einstellung rekonstruiert.
Die Zeit ist die Zeit des Reisens – jene sonderbar verlangsamte und distanzierte Zeit, verlangsamt unabhängig von der Geschwindigkeit, mit der man sich bewegt, wenn es nichts anderes zu tun gibt als zu sehen und zu hören, Bilder und Töne „wahrzunehmen“.
Benning nennt 11 X 14 einen erzählenden Film. Der Film ist erzählend in dem Sinne, wie jede Erzählung eine Art von Reise ist. Es gibt ein Netz von Verbindungen zwischen den Einstellungen, und eine Gruppe von Menschen tritt sporadisch an verschiedenen Stellen des Films auf. Aber mit jener kühlen, albernen Ironie, die den ganzen Film prägt, lässt Benning kaum zu, dass uns Informationen über diese Menschen durch den Raum erreichen. Ihre Gesichter sind durch Fensterrahmen verdeckt, ihre Stimmen von Geräuschen überlagert. Sogar ihr Geschlecht ist ambivalent. Diese Ambivalenz – eine Ambivalenz bezüglich der Art und Weise, wie die Bilder zu lesen sind – durchdringt jeden Aspekt des Films. Fast jede Einstellung wird mit Bedeutung aufgeladen und wieder entleert. Fast jede Einstellung enthält eine unerwartete Wendung. Es gibt eine Menge zu sehen, was wirklich sehenswert ist. (Amy Taubin, „The SoHo Weekly News“, New York, 28. April 1977)