Die Museumsschätze von Kabul
KHAN-E TARIKH ist ein kurzer Dokumentarfilm, der Aufnahmen aus der unruhigen Zeit von 1993 bis 1995 versammelt, die von acht Kameramännern des nationalen afghanischen Filminstituts Afghan Films aufgenommen wurden. In den ersten zehn Minuten des Films werden ein poetischer Kommentar und schonungslose Bilder kombiniert, die die völlige Zerstörung Kabuls in dieser Zeit zeigen: zunächst durch die Machtkämpfe innerhalb der afghanischen Mudschaheddin-Regierung, der Teile der Stadt zum Opfer fielen, bis dann die Bomben und Feuer der Taliban vieles von dem, was diese Phase zuvor überstanden hatte, endgültig zerstören.
Dann nimmt der Film eine überraschende Wendung und zeigt die Ruinen des Nationalmuseums Kabul, in dem seit jeher Artefakte aus der animistischen, hellenistischen, buddhistischen und islamischen Geschichte Afghanistans zusammen ausgestellt wurden. Ehemalige Mitarbeiter des archäologischen Museums verstauen die übrig gebliebenen Schätze in Kisten, um sie in die Kellergewölbe des Kulturministeriums zu überführen. Vorsichtig verteilen sie die Bruchstücke der Statuen jeweils auf Kisten. Der Direktor des Museums erklärt, dass die in der Gegenwart zerstörten Fragmente der Vergangenheit für eine Zukunft aufbewahrt werden, in der Hoffnung, dass es irgendwann möglich sein wird, sie wieder zusammenzusetzen. Zu diesem Zeitpunkt ließ sich nur an bestimmte Perioden der Vergangenheit erinnern, nur ausgewählte Artefakte wurden aufbewahrt, andere zurückgestellt oder zerstört. Die Filmemacher hofften wie die Museumsmitarbeiter auch, dass eine Zeit kommen wird, in der andere Stücke der Vergangenheit aus den Kellern, Felsspalten und Höhlen der Geschichte geborgen werden können, aus den verschlossenen Schubladen der Erinnerung, in denen sie überdauert haben.
Bilder, Staub und Asche
KHAN-E TARIKH endet mit Aufnahmen aus dem Archiv von Afghan Films aus den 1970er-Jahren, die teilweise von denselben Kameraleuten stammen. Die Bilder zeigen eine der vielen archäologischen Ausgrabungsstätten, die im Krieg entweder geplündert oder zerstört wurden. Die Erlöse aus dem Verkauf gestohlener Kunstgegenstände fließen in die unterschiedlichsten Kanäle, und das auf diese Weise verlorene Erbe Afghanistans wird erst dieser Tage langsam zurückverfolgt und, wo immer das möglich ist, auch zurückgefordert. Die Kommentarstimme erinnert den Zuschauer daran, dass von den Zeugnissen einer großen Zivilisation, die es hier früher gab, heute nur noch Bilder, Staub und Asche übrig sind. Für Freiheit und Überleben muss man Opfer bringen, aber nicht alles muss brennen. Wenn wir – so der Kommentar – zu schnell vergessen oder die Geschichte neu schreiben, sie zerstören oder verkaufen, verwetten wir unsere Zukunft unter Einsatz der Gegenwart, wir opfern langfristige Erfordernisse den unmittelbaren Bedürfnissen.
KHAN-E TARIKH entstand in einer Zeit, in der Afghanistan gewaltsam geteilt war. Der Film entwickelt vor dem Hintergrund des ungebremsten Bildersturms und nicht abreißender Katastrophen die Vision von einer wahren Vergangenheit und einem möglichen zukünftigen Museum, in dem alle Ikonen Afghanistans und alle Geschichtsverläufe des Landes friedlich nebeneinander existieren können. Das inzwischen wiederhergestellte Museum dient als Mahnung dafür, dass nicht alles verloren oder vergessen, gestohlen oder auf die Seite gebracht wurde. Dass das Feuer des neuen Glaubens nicht immer alles auslöscht, was vorher geschehen ist. Dass wir Gedenkstätten errichten können, die nicht nur die ehrenvolle, die nahe oder vertraute Vergangenheit spiegeln, sondern auch die weniger bekannte, entferntere Geschichte, mit ihren staubigen Ecken, den ausgefransten Rändern, den losen Enden und den fehlenden Stücken. (Mariam Ghani, apa.nyu.edu/MakingMemorySacred/)