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1-Kanal-Videoinstallation, 34 Min. Französisch, Englisch.

Inspiriert von Kafkas Text „Das Schweigen der Sirenen“, der Homers Sirenen als stille Erscheinungen interpretiert, zeigt der Film das fiktionale Porträt von Céline, einer Schauspielerin aus Martinique, die in Paris lebt und damit ringt, ihren Platz in der Welt zu finden. Sie geht auf eine Identitätssuche zurück zu ihren Wurzeln.
Der Film unterstreicht die Idee des kulturellen Gedächtnisses und hinterfragt die Kommerzialisierung von Bildern und die Leere, die sie erzeugen. Das metaphorische Schweigen von Céline zeigt, dass sie sich weder mit den Kulturen, in denen sie lebt, noch mit den kommerziellen Darstellungen, die Teil ihres Berufs sind, identifiziert. Der Kontrast zwischen natürlicher und künstlicher Umgebung spiegelt die vielfältigen Verkörperungen des Sirenenmythos wider – Céline oszilliert zwischen dem Bild einer verführerischen Sirene und dem Objekt des Sirenengesangs selbst.
Der Mythos wird kinematografisch in Form von Übersetzung und Aneignung sublimiert. Der Film navigiert vom griechischen Originalgedicht über Kafkas Prosa zu einer literarischen französischen Übersetzung und einer Textperformance auf Kreolisch und endet in einer improvisierten poetischen Übersetzung.

Diana Vidrascu, geboren 1987 in Rumänien, ist Filmemacherin. Sie studierte Kamera an der Nationaluniversität der Theater- und Filmkunst „I. L. Caragiale“ in Bukarest und lebt inzwischen in Paris, wo sie als Kamerafrau für Fiction, Dokumentarfilm und kommerzielle Projekte arbeitet. Aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit Künstler*innen, deren Fokus auf Experimentalfilm liegt, begann sie Kurzfilme zu drehen, die die visuellen Codes des Kinos hinterfragen.


Das Schweigen der Sirenen

Beweis dessen, daß auch unzulängliche, ja kindische Mittel zur Rettung dienen können:

Um sich vor den Sirenen zu bewahren, stopfte sich Odysseus Wachs in die Ohren und ließ sich am Mast festschmieden. Ähnliches hätten natürlich seit jeher alle Reisenden tun können, außer denen, welche die Sirenen schon aus der Ferne verlockten, aber es war in der ganzen Welt bekannt, daß dies unmöglich helfen konnte. Der Sang der Sirenen durchdrang alles, und die Leidenschaft der Verführten hätte mehr als Ketten und Mast gesprengt. Daran aber dachte Odysseus nicht, obwohl er davon vielleicht gehört hatte. Er vertraute vollständig der Handvoll Wachs und dem Gebinde Ketten und in unschuldiger Freude über seine Mittelchen fuhr er den Sirenen entgegen.

Nun haben aber die Sirenen eine noch schrecklichere Waffe als den Gesang, nämlich ihr Schweigen. Es ist zwar nicht geschehen, aber vielleicht denkbar, daß sich jemand vor ihrem Gesang gerettet hätte, vor ihrem Schweigen gewiß nicht. Dem Gefühl, aus eigener Kraft sie besiegt zu haben, der daraus folgenden alles fortreißenden Überhebung kann nichts Irdisches widerstehen.

Und tatsächlich sangen, als Odysseus kam, die gewaltigen Sängerinnen nicht, sei es, daß sie glaubten, diesem Gegner könne nur noch das Schweigen beikommen, sei es, daß der Anblick der Glückseligkeit im Gesicht des Odysseus, der an nichts anderes als an Wachs und Ketten dachte, sie allen Gesang vergessen ließ.

Odysseus aber, um es so auszudrücken, hörte ihr Schweigen nicht, er glaubte, sie sängen, und nur er sei behütet, es zu hören. Flüchtig sah er zuerst die Wendungen ihrer Hälse, das tiefe Atmen, die tränenvollen Augen, den halb geöffneten Mund, glaubte aber, dies gehöre zu den Arien, die ungehört um ihn verklangen. Bald aber glitt alles an seinen in die Ferne gerichteten Blicken ab, die Sirenen verschwanden förmlich vor seiner Entschlossenheit, und gerade als er ihnen am nächsten war, wußte er nichts mehr von ihnen.
Sie aber – schöner als jemals – streckten und drehten sich, ließen das schaurige Haar offen im Winde wehen und spannten die Krallen frei auf den Felsen. Sie wollten nicht mehr verführen, nur noch den Abglanz vom großen Augenpaar des Odysseus wollten sie so lange als möglich erhaschen.
Hätten die Sirenen Bewußtsein, sie wären damals vernichtet worden. So aber blieben sie, nur Odysseus ist ihnen entgangen.

Es wird übrigens noch ein Anhang hierzu überliefert. Odysseus, sagt man, war so listenreich, war ein solcher Fuchs, daß selbst die Schicksalsgöttin nicht in sein Innerstes dringen konnte. Vielleicht hat er, obwohl das mit Menschenverstand nicht mehr zu begreifen ist, wirklich gemerkt, daß die Sirenen schwiegen, und hat ihnen und den Göttern den obigen Scheinvorgang nur gewissermaßen als Schild entgegengehalten.

Franz Kafka

Entstanden 1917, Erstveröffentlichung 1931
Quelle: Franz Kafka: Erzählungen I - Kapitel 24, URL

Produktion Diana Vidrascu. Produktionsfirma Diana Vidrascu (Paris, Frankreich). Regie, Buch Diana Vidrascu. Kamera Diana Vidrascu. Montage Diana Vidrascu. Musik Paul Régimbeau (Mondkopf). Sound Design Diana Vidrascu. Ton Romain Poirier. Mit Céline Karter (Céline), Jordan Mezence (Hypnotiseur), Noëlla Carpaye (Großmutter), David Kidman (Toningenieur).

Weltvertrieb Diana Vidrascu

Filme

2017: Gylfaginning / The Deluding of King Gylfi (18 Min.), What time is made of (10 Min.). 2018: Le Silence des sirènes / Silence of the Sirens.

Foto: © Diana Vidrascu

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