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83 Min. Portugiesisch.

Am Anfang steht, dass Carlos Conceição in Afrika geboren wurde und als Jugendlicher nach Europa ging, seine Mutter blieb. Sie sagte, sie wolle einen Vogel bei sich aufnehmen, der 150 Jahre alt wird – aber nur, wenn er sich nach ihrem Tod um ihn kümmere. Die Landschaft, über die der junge Mann hinwegfliegt, kann nur Afrika sein: Berge, Ebenen, Antilopenherden, ein Boden von unwirklicher Lehmfarbe. Als er landet, ist aus dem Off die Stimme einer Frau zu hören, die ihn beschwört, sofort zu ihr zu kommen – und so beginnt die Reise, auf Straßen, durch Städte, an allerlei flirrenden Landschaften vorüber, als Aneinanderreihung beglückender Umwege, durch Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft und verschiedene Genres. Format und Körnung der Bilder verändern sich, ein Synthesizer wird von Klavier- und Geigenklängen abgelöst, wir sehen den Mann als Kolonialisten mit Halskrause, bewaffneten Cowboy, Astronauten in einem Retro-Raumschiff und Hipster mit Jeans und Sonnenbrille, darüber hinaus ändert sich, auch als das Ende naht, wenig, er geht immer weiter voran, dieselben verspielten, melancholischen Gedanken aus dem Off, dieselbe Einsamkeit, der Wind braust, die Vögel singen. (James Lattimer)

Carlos Conceição wurde 1979 in Santa Clara (Angola) geboren. 2002 promovierte er im Fach Anglistik an der Agostinho Neto University in Lubango (Angola). Im gleichen Jahr nahm er ein Studium der Fächer Filmregie und Sounddesign an der Escola Superior de Teatro e Cinema (ESTC) in Lissabon auf, das er 2006 abschloss. In den folgenden Jahren entstanden erste Videoinstallationen und Kurzfilme. 2013 nahm Carlos Conceição am Berlinale Talent Campus teil, 2017 an einem Postgraduiertenstudium im Fach Global Cinema Studies an der University of Houston. Von 2012 bis 2018 lehrte er an der Universidade Privada de Angola (UPRA) im Bereich audiovisueller Medienpraxis. Serpentário ist sein erster abendfüllender Film.

African Gothic

Meine gesamte Familie hatte seit drei Generationen in Angola gelebt, als sie 1975 nach 15 langen Jahren des Bürgerkriegs aus dem Land geworfen wurde. Obwohl meine Angehörigen nie in Portugal gewesen waren, bezeichnete man sie auf einmal als Portugiesen. Vor wie nach Ausrufung der Unabhängigkeit Angolas im Jahr 1975 wurden sie ins Exil gezwungen. Viele von ihnen hatten nur das bei sich, was sie am Körper trugen.
Meine gesamte Familie floh nach Portugal, außer meinen Eltern, die große Hoffnung in das zukünftige Angola setzten. Ich wurde vier Jahre später geboren, ein neuer Bürgerkrieg hatte bereits begonnen. Tatsächlich befand sich Angola nicht nur in einem Partisanenkrieg, sondern auch in einer kriegerischen Auseinandersetzung mit Südafrika. Es war die Zeit des Kalten Krieges und des Stalinismus, sie war geprägt von Spionen, Bomben und Armut. Für ein Kind gab es wenig, um groß zu werden, schon gar nicht die Erinnerungen, die meine Eltern einst bewogen hatten, in Angola zu bleiben. Vor allem gab es in Angola kein Heimatgefühl, weil es keine Erinnerung gab. Allein das Kino mit seinen Bildern half dabei, eine Vergangenheit zu formen. 2002 war der Krieg zu Ende. Im gleichen Jahr zog ich nach Lissabon, um die dortige Filmschule zu besuchen. Zurück ließ ich ein physisch wie kulturell verwüstetes Land. Zehn Jahre kehrte ich nicht zurück.
Als ich nach Angola ging und mit den Dreharbeiten für SERPENTÁRIO begann, waren die Erinnerungen in meinem Kopf zu Filmen geworden. Der Krieg stellte eine Art Übergangsritus dar zwischen der durchtrennten Verbindung zur Geschichte und der Neuerfindung ihrer Texturen und Farben. Die Vergangenheit wurde zu einem Abenteuer, einem Western, zu einem Katastrophenfilm, während ich mein jüngeres Ich dabei beobachtete, wie es mit einem Land zurechtzukommen versuchte, das meinen Betrug erwiderte. Ich bin nicht repräsentiert im afrikanischen Kinos. Meine Geschichte ist eine oftmals nicht erzählte afrikanische Geschichte: eine Geschichte von Landlosen, von umherziehenden Geistern, die im Staub der Erinnerung für immer auf der Suche nach sich selbst sind.
Einen Teil von Afrika gab es dennoch, der sich trotz allem wie Heimat anfühlte. Weniger ein Ort als ein Gefühl. Um ihm nachzuspüren, mussten wir allein in der offenen Landschaft sein. Es gab keinen anderen Weg, um diesen Film zu machen. Es ist ein Dokumentarfilm über die Suche nach einem Gefühl.
Während der Vorbereitungen für SERPENTÁRIO teilte mir meine Mutter mit, dass sie überlegt, einen Papagei zu kaufen, der eine überraschend hohe Lebenserwartung hat. Sie bat mich, einige Tage darüber nachzudenken, ob ich nach ihrem Tod für ihn sorgen würde. Nur dann wollte sie ihn sich anschaffen. (Carlos Conceição)

Produktion Carlos Conceição, Margarida Ventura, António Gonçalves. Produktionsfirma Mirabilis (Lissabon, Portugal). Regie, Buch Carlos Conceição. Kamera Carlos Conceição. Montage Carlos Conceição mit Unterstützung von Mariana Gaivão, António Gonçalves. Musik Hugo Leitão, Carlos Conceição. Tonschnitt Rafael Gonçalves Cardoso. Mit João Arrais, Isabel Abreu (Stimme), Carlos Conceição (Stimme).

Weltvertrieb Agência - Portuguese Short Film Agency
Uraufführung 09. Februar 2019, Forum

Filme

2007: No Escaping Gravity (15 Min., Videoinstallation), Criminal (7 Min., Videoinstallation). 2010: Temporária 2 x (12 Min., Videoinstallation), Carne / The Flesh (20 Min.). 2011: O Inferno / Hell, or Poolkeeping (20 Min.). 2013: Versailles (19 Min.). 2014: Boa Noite Cinderela / Goodnight Cinderella (30 Min.). 2015: Acorda Leviatã / Wake Up Leviathan (20 Min.). 2017: Coelho Mau / Bad Bunny (33 Min.). 2019: Serpentário / Serpentarius.

Foto: © Mirabilis, 2019

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