35 mm, 77 Min. russische Zwischentitel.
In einem der letzten in der Sowjetunion produzierten Stummfilme erzählt Alexandr Medvedkin von der Suche eines Bauern nach dem Glück: Nachdem sein Vater beim Versuch, dem wohlhabenden Nachbarn die Teigtaschen zu klauen, gestorben ist, beginnt die Odyssee des kleinen Mannes. Nach vielversprechendem Beginn muss er sich gegen habgierige Geistliche, korrupte Helfer des Zaren oder die Faulheit des eigenen Gauls behaupten. Medvedkin widmet diesen Film „dem letzten Kolchosenfaulenzer“ und skizziert dessen Weg ins Kollektiv als Aneinanderreihung slapstickartiger, überzeichneter Fehltritte, die nur zu einer Erkenntnis führen können: Das alte System gehört abgeschafft, das Neue muss her. Dass der Film erst in den 60er Jahren Aufmerksamkeit im Westen auf sich zog, ist unter anderem Chris Marker zu verdanken, der Ausschnitte daraus für seinen Film Le tombeau d'Alexandre (1993) verwendete. (ab)
Alexandr Medvedkin wurde 1900 im russischen Pensa (damals Russisches Kaiserreich) geboren. Er besuchte zunächst eine Ingenieurschule, bevor er ab 1919 als Freiwilliger aufseiten der Roten Armee kämpfte. Ein Jahr später wurde er Mitglied der Kommunistischen Partei. 1927 wandte Medvedkin sich der Filmarbeit zu: Anfänglich inszenierte er im Staatlichen Armeefilmstudio Goswojenkino militärische Lehrfilme. In den 1930er-Jahren folgten experimentelle satirische Kurzfilme. Medvedkin begann 1931 mit der Arbeit an dem Projekt ‚Kinozug‘, für das er einen Zug mit Schneideraum, Kopierlabor und Vorführungsmöglichkeiten ausstattete. Bis 1935 bereiste Medvedkins Team das Land mit diesem mobilen Kino, um die Arbeitsumstände in der Großindustrie kritisch zu dokumentieren und die filmischen Ergebnisse den Arbeiter/-innen vor Ort vorzuführen und Gespräche darüber anzuregen. Ende der 1960er-Jahre wurde Medvedkins Filmarbeit wiederentdeckt. Chris Marker widmete sich 1973 in seinem Dokumentarfilm LE TRAIN EN MARCHE Medvedkins ‚Kinozug‘. Alexandr Medvedkin starb 1989 in Moskau.