Interview mit Michael Gray: „Wir wußten genau, daß die Fakten jedes Wort widerlegen“
Woher haben Sie das Filmmaterial bekommen, um THE MURDER OF FRED HAMPTON zu machen?
Die Abteilung der Black Panther Party in Illinois hat uns erlaubt, in vielen ihrer Einrichtungen zu filmen und den Rest haben wir für ungefähr 17 000 Dollar von verschiedenen Fernsehstationen gekauft.
Wieviel hat der fertige Film gekostet?
Etwa 95 000 Dollar.
Woher haben Sie das Geld bekommen?
Unser erstes Geld kam von einem Rock-Musik-Produzenten. Zusätzliche Mittel bekamen wir von einer Gruppe von Anwälten in Chicago, einem großen Hollywood-Produzenten und einem Anwalt in Los Angeles, der für die Bürgerrechtsbewegung arbeitet. Im ganzen bekamen wir 55 000 Dollar von den verschiedensten Leuten zusammen, die entweder hofften, daß sich ihre Investition auszahlen würde, oder die dachten, daß sie es für die richtige Sache gäben. Die restlichen 40 000 Dollar hat unsere Filmgruppe, die MGA Incorporation, aufgebracht. Es waren unsere Einnahmen, die wir mit Commercials und anderen Auftragsarbeiten verdient hatten. (…)
Was sagen Sie zu dem Vorwurf, daß Ihr Film einseitige Propaganda sei?
Ich halte diesen Vorwurf für unfair. Gewiß haben wir uns keine Mühe gegeben, der einigermaßen übertriebenen Darstellung der Fakten, wie sie Hanrahan und die vierzehn an dem Überfall beteiligten Polizisten gegeben haben, den geringsten Glauben zu schenken. Aber wir wußten doch genau, daß die Fakten jedes Wort von ihnen widerlegen. Man muß nicht einmal in der Wohnung gewesen sein, um das zu wissen. Es genügt vollkommen, den Bericht des Bundesgerichts zu lesen. Dieser Bericht erklärt alles. Die einzige Inkonsequenz des Berichts ist die letzte Seite mit der Schlußfolgerung, daß die Beweise nicht ausreichten, um die Polizisten mit überzeugenden Gründen einer mutwilligen Verletzung der Bürgerrechte der in der Wohnung Anwesenden anzuklagen... (...)
(Interview: Gene Siskel, Chicago Tribune, 7.5.1971)
Ein total politischer Film
Ich habe Fred Hampton nur einmal sprechen hören. Er sagte, er sei davon überzeugt, innerhalb eines Monats zu sterben. Das klang mir nach Black-Panther-Rhetorik. Drei Wochen später war er tot.
Zur Zeit seines Todes waren Mike Gray und die Mitglieder seines Kollektivs gerade dabei, einen Film über die Panthers im allgemeinen und über Hampton im besonderen zu drehen. Ihr Projekt war aus AMERICAN REVOLUTION 2 (von 1969; Anm. d. Red.) hervorgegangen, einem Dokumentarfilm über den National-Konvent der Demokratischen Partei (in Chicago). (...)
Die AMERIKANISCHE REVOLUTION 2 war ein kraftvoller Dokumentarfilm, der mehr formalen Reiz und Geschlossenheit besaß als THE MURDER OF FRED HAMPTON. Wahrscheinlich liegt das daran, daß er unter besseren technischen Bedingungen aufgenommen wurde. Der neue Film enthält Szenen und Aufnahmen, zu denen man unter geradezu unmöglichen Bedingungen kam. Aber gerade das macht einen Teil seiner ungeheuren Wirkung aus. AR 2 war in künstlerischer Hinsicht gelungen, FRED HAMPTON dagegen ist ein total politischer Film von unglaublicher Eindringlichkeit. (...)
Der Film offeriert eine Fülle von Beweismaterial, das eine Anklage gegen die am Überfall Beteiligten zu begründen scheint. Aber gleichzeitig gibt er noch etwas anderes: Gesichter und Worte – und Blicke in die Augen der Menschen. Wir sehen, wie die am Überfall beteiligten Polizisten ihre Version vortragen und die Überlebenden aus jener Wohnung die ihre. Wir können den einen wie den anderen in die Augen schauen und unsere eigenen Schlüsse ziehen, wer hier die Wahrheit spricht.
(Roger Ebert, Chicago Sun-Times, 7.5.1971, Infoblatt Nr. 33, 1. Internationales Forum des jungen Films, Berlin 1971, Download PDF)