Existenzielle experimentelle Filmpraktiken sind per definitionem Praktiken der politischen Subjektivierung; Eher Manifestationen der und Interventionen in die Spiegelungsfähigkeit des Subjekts und seines Bewusstseins, als Reflexionen über diese. Mit „neuen Formen“ (wie immer diese auch aussehen mögen) zu arbeiten, ist heute vielleicht nicht mehr das vorrangige Kriterium experimenteller Filmpraxis; man könnte den Begriff auf Filmemacher*innen und Künstler*innen anwenden, die zeigen, dass Gemeinschaft etwas kostet, und die sich weigern, sie zu einem Schleuderpreis zur Verfügung zu stellen. Das Motto „Part of the Problem“ bedeutet auf kuratorischer und institutioneller Ebene auch, dass schon das Konzept der öffentlichen Sphäre und auch die Teilnahme an ihren Foren, die Tatsache, dort zu repräsentieren, sichtbar zu sein und eine Stimme zu haben, systemisch in die strukturelle Gewalt verwickelt ist, über die so viele der Kunstwerke und Filme sprechen. Kulturinstitutionen haben die Funktion, das Bild einer funktionierenden öffentlichen Sphäre aufrechtzuerhalten, der Preis für diese Kulturalisierung ist inzwischen jedoch inakzeptabel.
Dies ist kein Urteil über den State of the Art oder ein Kokettieren mit institutionellem Bewusstsein; nur die Hoffnung darauf, gemeinsam das Gefühl der Verbindlichkeit, zu dem jedes Werk beiträgt, zu erleben. „Part of the Problem“ bedeutet weder, dass wir als Festivalmacher*innen denken, wir könnten endgültige Urteile über Kunstwerke fällen – ob sie eher „Teil des Problems“ sind oder zu einer Lösung beitragen. Noch ist damit gemeint, dass wir durch die vorauseilende, kritische Betrachtung des Festivals als Instanz und unserer eigenen Funktion nun lässig alles im Griff und dadurch einen Vorsprung haben. Wir haben erkannt, und darum geht es, dass man nicht entspannt über den Dingen stehen kann und dass Zeitgenossenschaft bedeutet, die Komfortzone der kritischen Distanz zu zerstören; als wäre es damit getan, „kritische Themen“ aufzuwerfen und Stimmen hörbar oder sichtbar zu machen. Was wir uns für das diesjährige Festival wünschen, wenn sich Filmemacher*innen und Publikum wieder auf das Ritual einlassen, neue filmische Bilder zu betrachten und darüber zu debattieren, könnte man so formulieren: Wir hoffen, den Blick für das, was uns verbindet und was uns bei der Entdeckung unserer Gemeinsamkeiten im Weg steht, zu schärfen. Zu erkennen, dass die heutigen Grenzen in uns als Betrachter*in verlaufen, aber auf existenziell unterschiedliche Arten. Und dass wir die Kraft, gegen unerträgliche Strukturen anzukämpfen und die Grenzen zu untergraben, bestimmt nicht aus den Strukturen schöpfen werden.
Anselm Franke ist Kurator, Autor und Leiter des Bereichs Bildende Künste und Film am Haus der Kulturen der Welt. Er ist Mitbegründer und Teil des Kurator*innenteams von Forum Expanded.
Das 15. Forum Expanded findet unter dem Motto „Part of the Problem“ statt.