90 Min. Arabisch, Englisch, Deutsch, Französisch.
Dies ist Teil 3 des Versuchs, Ayreen Anastas’ Film aus dem Jahr 2007 neu zu bearbeiten, mit dem Friedrich Nietzsches „Also sprach Zarathustra“ auf die zeitgenössische arabische Welt übertragen werden sollte. Anstatt Nietzsches bahnbrechendes Werk bloß zu adaptieren oder neu zu inszenieren, arbeitet der Film weiter daran, Leben und Kunst heute neu zu denken – durch Begegnung zwischen Gesten, Einsichten, Visionen und Prophezeiungen, die der Name Nietzsche evoziert, und bestimmten Bedingungen, Fragen und Leiden, die den als „arabisch“ bezeichneten Gebieten zugeschrieben werden. Der Film ist weder Essay noch Performance, Dokumentar- oder Spielfilm; er ist vielmehr der Versuch Raum für etwas zu schaffen, das verweigert wird und das gleichzeitig selbst die Bestimmung von Ort, Volk und Zeit verweigert – und doch das ist, was am meisten begehrt wird.
*Der Film wird gleichzeitig mit der Vorführung inszeniert und geschnitten. Deshalb werden die beiden Vorführungen deutlich voneinander abweichen.
**Die Vorführung im silent green Werkstattkino kann als Nachtrag zur Premiere im Arsenal betrachtet werden. Die Künstler*innen versuchen dort zum ersten Mal, ihren Prozess des gleichzeitigen Produzierens und Zerlegens eines Films erfahrbar zu machen.
***In einem der Notizbücher, die die Zeit kurz nach der Vollendung seines Zarathustras abdecken, schreibt Nietzsche einen scheinbar vorzeitigen Eindruck über BORN OF THE * * * : Seien wir mißtrauisch gegen alle anscheinende „Gleichzeitigkeit“! Es schieben sich da Zeit-Bruchstücke ein, welche nur nach einem groben Maaße, z.B. unserem menschlichen Zeitmaaße klein heißen dürfen; in abnormen Zuständen, z.B. als Haschischraucher oder im Augenblick der Lebensgefahr bekommen, aber auch wir Menschen einen Begriff davon, daß in einer Sekunde unserer Taschenuhr tausend Gedanken gedacht, tausend Erlebnisse erlebt werden können. Wenn ich das Auge aufmache, steht die sichtbare Welt da, scheinbar sofort: inzwischen aber ist etwas Ungeheures geschehen, ein Vielerlei von Geschehen: – erstens zweitens drittens: doch hier mögen die Physiologen reden!
aus: Friedrich Nietzsche. Nachlaß 1884 – 1885, Kritische Studienausgabe in 15 Bänden, Band 11 (August–September 1885), hg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, de Gruyter: Berlin/New York 1967.
Ayreen Anastas und Rene Gabri misstrauen der Biografie und deren Tendenz, sich in Richtung einer spezifischen Form von Identität und Leben zu bewegen, in der die Potenz des Lebens und Schreibens in die Erfüllung einer Funktion übergehen. Eine vorübergehende Befreiung von dieser Funktion, was auch immer man als Koeffizient der Kunst oder der Poesie bezeichnen könnte, würde es sogar einer Biografie erlauben, etwas anderes als das vorgegebenes Genre zu nennen, um ein in Kategorien zementiertes Schicksal zu vermeiden. Was wäre eine Biografie, wenn das oder die Subjekte, die/das sie zu beschreiben vorgibt, aus der verhaltenen Logik von Innerlichkeit/Äußerlichkeit, Ursache/Wirkung, Wille/Handlung, Ursprung/Endgültigkeit losgelöst wäre(n)? Abgesehen von der Peinlichkeit, die „Erfolg“ für einen Moment hervorruft, mag diese Biografie die Frage stellen, „was eine Errungenschaft in einem Leben ist“ und „ob sie in der Person liegt und ihr zuzuschreiben ist?“ Wo kommen die Bedingungen der Unterstützung, die Luft, das Wasser, die Ernährung, die historischen, sozialen, politischen und geografischen Kräfte ins Spiel? Und was ist, wenn das Leben als ein Geflecht von Ereignissen, Strichen, Notizen, Werden wahrgenommen wird, als Momente, in denen etwas vorübergehend entstehen kann oder in denen die Stützpfeiler des Erkennens gesprengt werden können, statt es als monotonen kontinuierlichen Erzählstrang mit diesem bedrückenden Bogen von Anfang über Mitte bis Ende zu sehen? Eine kurze Biografie wie diese wird diese Fragen nicht beantworten können, aber ihre Weigerung, ihr Ziel zu erfüllen, schafft einen potenziellen Raum dieses als ungültig zu erklären.