Monopoly und kapitalistische Analyse
Als ich 2012 das Gerd-Ruge-Stipendium für dieses Projekt erhielt, ahnte ich noch nicht, auf welche Reise mich dieser Film schicken würde. Angefangen hat es mit harmloser Neugier: Nach der Finanzkrise wollte ich die Phänomene unseres Wirtschaftssystems verstehen. Mein erzählerischer Versuch, die Zusammenhänge des Kapitalismus über dessen Akteure begreifbar zu machen, erwies sich allerdings als schwierig bis unmöglich. Dadurch war ich gefordert, mich über andere Wege und Bilder der Frage zu nähern, was eigentlich die Triebfedern für Wirtschaftswachstum, Verschuldung und Vermögenskonzentration sind.
Bei der Erarbeitung des Bildkonzepts war es Dirk Lütter und mir wichtig, sowohl die Unzugänglichkeit als auch die gläserne Scheintransparenz einer nach ökonomischen Parametern gestalteten Welt in Szene zu setzen: eine von Vertikalen und Horizontalen in Form gebrachte Welt mit spiegelnden, glitzernden Fassaden und piepsenden Zugangsbeschränkungen. Mithilfe der grafischen Computerebene, die aus einer ständig sich wiederholenden Rastermatrix besteht und sich in langen Überblendungen auf die Filmbilder legt, wollte ich diesen Effekt noch ausbauen. Sichtbar wird eine Metrik, die an ein Matheheft erinnert und sich wie ein feines, unsichtbares und doch alles bestimmende Raster auf uns und die Welt legt – zerlegt in einzelne Einheiten, die nur verrechnend miteinander in Beziehung treten.
Im Verlauf der Arbeit an diesem Filmprojekt wurde mir klar, dass ich andere erzählerische Wege finden musste, um mich bestimmten ökonomischen Zusammenhängen zu nähern. Zu stark schienen mir meine Interviewpartner aus der Wirtschaftswelt eingefasst in einen ideologischen Frame, innerhalb dessen meine Fragen weder Platz hatten noch verstanden wurden. Und so inszenierten wir die Situation eines überarbeiteten Monopoly-Spiels im öffentlichen Raum einer Fußgängerzone mit einem Kreis von Menschen, die sich der Analyse von kapitalistischer Ökonomie und Geldproduktion verschrieben haben. Diese Szenen in der Fußgängerzone durchziehen den Film wie ein roter Faden. Gleichzeitig agieren die Spielenden wie ein Chor des griechischen Theaters der Antike, der dem Publikum gegenüber ausdrückt, was die Hauptcharaktere des Stücks – meine Interviewpartner – nicht zu sagen vermochten.
Die ästhetisch-dramaturgische Entscheidung, mich als Regie führende Figur zu Beginn des Films zu etablieren und immer wieder im Film zu zeigen, während ich Recherchetelefonate erledige, drängte sich erst während des Montageprozesses auf. Zudem diente mir das Stilmittel der Telefonate als künstlerisches Containerformat, in dem ich nicht zur Veröffentlichung gedachte Gespräche genügend verfremden und einzelne Recherchefragmente angemessen verdichten konnte, um den Film zu einem schlüssigen Ganzen zu verweben.
Insgesamt sehe ich in OECONOMIA eine Fortführung meiner filmischen Arbeit, die bei meinem vorhergehenden Film WORK HARD PLAY HARD in der unausgesprochenen Frage endete: Was bringt Unternehmen dazu, nach permanentem profitablem Wachstum zu streben? (Carmen Losmann)