Uli Ziemons: Ich möchte mit Euch über den Film selbst sprechen, aber auch über seine Produktion, denn diese unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht sehr deutlich von anderen Filmen in unserem Programm. Ana, könntest Du Dein Team vorstellen und uns dann ein wenig darüber erzählen, wie das Projekt zustande kam und wie Du die Schule gefunden hast, mit der Du zusammengearbeitet hast?
Ana Vaz: Danke nochmal, Uli, für die Organisation dieses Gesprächs. Und herzlich willkommen Paula Nascimento, die den ganzen Prozess der Produktion und des Werdens von 13 WAYS OF LOOKING AT A BLACKBIRD mitorganisiert hat. Paula arbeitet für EGEAC, die Institution, die das Projekt in Auftrag gegeben hat. Es ist wichtig diesen Film innerhalb des größeren Zusammenhangs eines Projekts namens Descola zu verorten – der Projektname bedeutet in etwa „Entschulung“ und steht für einen Zugang zu kritischer Pädagogik, der versucht, Lehre und Wissensvermittlung experimenteller und intersektionaler zu denken.
Paula Nascimento: Ich arbeite für EGEAC, einer vom Stadtrat geschaffenen Institution, die alle städtischen Kulturorte managt – Museen, Galerien, Theater, usw. EGEAC betreibt das Projekt Descola, das Ana erwähnt hat. Das Projekt wird jeweils im Laufe eines Jahres mit einer Schule, einer Künstler*in und in Zusammenarbeit mit einem Kulturort durchgeführt. Die Kunstform und die Art der Lehre ist dabei sehr offen. Die Künstler*innen präsentieren ihre Idee: „Ich würde gerne mit dieser Schule in diesem Format arbeiten.“
Im Falle der Galeries Municipais hatte deren Direktor und Programmgestalter Tobi Maier Ana eingeladen. Und so habe ich sie in einem Treffen mit Tobi kennengelernt, in dem er sagte: „Dies ist die Künstlerin, mit der Du das Projekt entwickeln wirst.“
In den ersten Projekttreffen war meine einzige Intention, mit einer Idee zu arbeiten, die mir sehr am Herzen liegt, wenn es ums Filmemachen geht: die Beziehung zwischen Körper und Kamera.
Ana: Genau. Vor anderthalb Jahren wurde ich von EGEAC eingeladen, ein Projekt für die Descola-Initiative zu entwickeln. Ich wurde gebeten, ein Projekt vorzuschlagen, das eine Verbindung zu einer Schule in Lissabon haben sollte. Da ich nicht das ganze Jahr über in Lissabon lebe, machte ich mir Sorgen darüber, wie ich überhaupt eine Schule finden sollte, mit der ich zusammenarbeiten könnte. In den ersten Projekttreffen war meine einzige Intention, mit einer Idee zu arbeiten, die mir sehr am Herzen liegt, wenn es ums Filmemachen geht: die Beziehung zwischen Körper und Kamera. Ich erzählte davon – wir hatten gerade mit dem Brainstorming begonnen – und Paula hatte eine, wie ich finde, großartige Eingebung, denn sie sagte etwas im Sinne von: „Wie wäre es mit einer Schule, die für ihr Sportprogramm bekannt ist?“ Und ich dachte: „Ja, das ist doch toll! Das wäre ein Anhaltspunkt, oder?“ Und dann schlug Paula freundlicherweise die Schule vor, auf die sie selbst gegangen war. Ich tendiere in Projekten wie diesem dazu, mit Verbindungen und Verweisen zu arbeiten, die auf Affekt basieren, nicht nur mit Ideen, die sehr weit von dem Ort entfernt sind, an dem ich arbeiten werde. Ich hielt diese Affekt-basierte Verbindung für einen guter Startpunkt. Und so nahm mich Paula nicht nur zu ihrer alten Schule mit, sondern wurde auch Teil der wöchentlichen Workshops, die während des gesamten Schuljahres stattfanden.
Meine Idee sah vor, dass in den ersten drei Monaten der Workshops, die sich dezidiert mit dem Filmemachen beschäftigen sollten, keine Kamera angefasst würde. Mir war klar, dass das eine Anstrengung bedeuten würde, doch ich wollte wirklich nicht, dass wir uns direkt ins Bildermachen stürzen. Mir war daran gelegen, gemeinsam darüber nachzudenken, was es bedeutet, ein Bild zu machen, wie wir Bilder machen und mit welchen Mitteln. Und vor allem wollte ich erkunden, wie unsere Körper als sensorisches Werkzeug zur Erschaffung eines kollektiven Wissens genutzt werden können.
Ich bin sehr froh, dass Vera Amaral heute auch dabei ist, leider konnte Mário Neto nicht dazu stoßen. Es waren die beiden – gemeinsam mit einer kleinen Gruppe weiterer Schüler*innen –, die von Anfang an dabei waren und die durchgehalten haben, sogar durch die Pandemie hindurch, die unsere Gruppe sehr stark reduziert hat. Man kann sich vorstellen wie schwer es ist, wenn man nach einem halben Jahr, in dem man so viel Zeit in der Gegenwart von Körpern verbracht und über Verkörperung nachgedacht hat, plötzlich über Skype einen Film konzipieren muss. Ich bin sehr dankbar, dass Vera, Paula und Mário bis zum Ende dabeigeblieben sind und diese ephemere Gemeinschaft – wie ich sie nennen würde – geschaffen haben, die eng mit der Entstehung des Films verbunden ist.
Uli: Lasst uns zum Film springen und über das Gedicht von Wallace Stevens sprechen, das den Film eröffnet und dem auch der Titel des Films entliehen ist. Wie würdet Ihr die Beziehung zwischen diesem Gedicht und dem Film im Besonderen und zwischen Film und Poesie im Allgemeinen beschreiben?
Paula: Unsere gemeinsame Arbeit begann im September 2019. Ab März/April 2020 mussten wir uns online treffen, um weitermachen zu können. In diesen Treffen hat Ana immer Übungen für die Schüler*innen für die jeweils kommende Sitzung vorgeschlagen. Ich übernahm einen Teil der Produktionsarbeit und koordinierte all diese Arbeit. Ich wollte so viel wie möglich mitbekommen. Und von Zeit zu Zeit habe ich Input gegeben, den ich für nützlich hielt. Am Ende jeder Sitzung fragte Ana mich nach meiner Meinung und ich gab meine Sicht wieder.
Zu einer Sitzung bat Ana die Schüler*innen, ein Gedicht mitzubringen. Ein Gedicht, das ihrer Meinung nach etwas mit dem zu tun hatte, was wir machten. Ich erinnerte mich an ein Gedicht von Wallace Stevens, das ich einige Monate zuvor in einer andere Videoarbeit gelesen hatte – ich war nicht im Bild zu sehen, nur meine Stimme war zu hören. Es war mir noch sehr präsent. Ich versuchte etwas anderes zu finden, aber nichts, was ich fand, machte so viel Sinn wie dieser Text. Also dachte ich, o.k., dann nehme ich ihn, er ist perfekt. Ich erinnere mich nicht an die Gedichte, die Vera und Mário mitbrachten, aber alle brachten Gedichte und Ideen ein. Und am Ende war es gut, dieses hier zu behalten. Wir hatten so noch eine weitere Perspektive auf all das Material. So kam das zustande.