Fiktionsbescheinigung. 16 filmische Perspektiven auf Deutschland
Wie Kultur im Allgemeinen, Kino im Besonderen, Gesellschaft und Rassismus zusammenhängen, ist gegenwärtig Gegenstand kontroverser Diskussionen. Das Forum greift in die Debatte ein, indem es die Film- und Diskussionsreihe „Fiktionsbescheinigung. 16 filmische Perspektiven auf Deutschland“ präsentiert: ein Experiment in geteilter kuratorischer Verantwortung und ein Schlaglicht auf ein zu Unrecht unbekanntes Kapitel deutscher Filmproduktion.
Das Forum hegt ein großes Interesse an den kaum ausgeleuchteten Bereichen der Filmgeschichte und sucht stets nach Wegen, über das Zusammenspiel von Kino und Gesellschaft nachzudenken. Im diesjährigen Zusatzprogramm „Fiktionsbescheinigung. 16 filmische Perspektiven auf Deutschland“ vereinen sich beide Interessen. Die Film- und Diskussionsreihe, die in Kooperation mit SİNEMA TRANSTOPIA ausgerichtet wird, widmet sich dem Schaffen von Schwarzen Regisseur*innen und Regisseur*innen of Color in Deutschland.
Die Kurator*innen Enoka Ayemba, Karina Griffith, Jacqueline Nsiah, Biene Pilavci und Can Sungu haben die Filmauswahl getroffen. Acht Programme aus Lang- und Kurzfilmen vereinen Arbeiten aus vier Jahrzehnten, etwa AUSLANDSTOURNEE von Ayşe Polat (1999), GÖLGE von Sofoklis Adamidis und Sema Poyraz (1980) oder IN THE NAME OF SCHEHERAZADE ODER DER ERSTE BIERGARTEN IN TEHERAN von Narges Kalhor (2019). Manche der Filme greifen die Erfahrung von Migration auf, thematisieren sie mal direkt, mal vermittelt, andere nehmen sich die Freiheit, sie gar nicht weiter wichtig zu nehmen. Während Mala Reinhardts DER ZWEITE ANSCHLAG (2018) sich schonungslos mit dem strukturellen Rassismus der Mehrheitsgesellschaft auseinandersetzt und das Versagen der Behörden im Fall des NSU-Terrors anklagt, interessiert sich Visar Morina in EXIL (2020) vor allem für die subkutanen Wirkungen, die die Erfahrung von Rassismus für ein Individuum bedeutet. Sheri Hagens AUF DEN ZWEITEN BLICK (2012) lässt spezifische Schwarze Erfahrungen sichtbar werden, aber nicht als solche, die ein Individuum determinieren.
Die fünf Kurator*innen erläutern ihre Auswahl in einem Statement: „Die Reihe versteht sich als Momentaufnahme in einem selbstbestimmten und fortlaufenden Prozess der Einmischung und des Widerspruchs. Jeder Film ist ein Vorschlag, den weißen deutschen Blick mit vielfältigen, intersektionalen Perspektiven zu parieren, und allen gemein ist eine eigene visuelle und textuelle Praxis der Zeugenschaft von innen, nicht vom Rand.“
Zu sehen sind die Filme zunächst vom 9. bis zum 30. Juni auf der Streaming-Plattform des Arsenals. Auch das diskursive Programm – Gespräche mit den Filmemacher*innen, eine experimentelle, interaktive Diskussionsrunde, Panels mit Wissenschaftler*innen, Festivalmacher*innen, Schauspielerinnen und den Kurator*innen, eine Keynote mit Wissenschaftler Kevin B. Lee und eine Lecture mit Filmemacherin Biene Pilavci – findet digital statt. Vom 19. bis zum 28. August sind die Filme des Programms bei Sinema Transtopia im Haus der Statistik zu sehen. Die Screening werden begleitet von Diskussionen mit den Regisseur*innen und Kurator*innen.