Von 2007 bis 2011 habe ich für ein staatliches Programm im Bereich der Erwachsenenbildung gearbeitet. Meine Aufgabe bestand darin, die Fertigkeiten und Kenntnisse der Teilnehmer*innen zu ermitteln. Das Bildungsniveau ist in Portugal relativ niedrig, daher fand das Programm großen Zuspruch. Die Parole der Partido Socialista, die damals an der Regierung war, lautete: „Eine Million sind dabei!“ Ich hatte mir damals vorgenommen, im Rahmen meiner Arbeit Material für einen Film zu sammeln. Ich arbeitete in Vila Franca de Xira, etwa dreißig Kilometer von Lissabon entfernt. Die Kleinstadt hatte ab den achtziger Jahren einen massiven Industrialisierungsschub erlebt, der inzwischen vorbei war. Dutzende Arbeiter*innen, die ihre Stellen verloren hatten, saßen mir gegenüber. Damals lernte ich Joaquim kennen. Die Männer und Frauen, mit denen ich sprach, zeichneten ihre Biografien nach, erzählten mir von ihren Lebensumständen und mit welchen Problemen sie zu kämpfen hatten. Wenn es auf der einen Seite anstrengend war, sich all diese Geschichten anzuhören, war es auf der anderen Seite auch fesselnd.
Fünf Jahre lang filmte ich an meinem Arbeitsplatz. Aus dem Material entstand VIDA ACTIVA (2013). Danach wollte ich weitere Filme machen, um den Geschichten und Eindrücken, die sich in meinem Notizbuch angesammelt hatten, eine Form zu geben. So entstand PROVAS, EXORCISMOS (2015), ein Film, der eine Unternehmensinsolvenz schildert.
Einmal mehr erkunde ich die Arbeitsleben und die Überzeugungen und Enttäuschungen der portugiesischen Menschen.
NO TÁXI DO JACK (JACK’S RIDE) vereint ganz verschiedene Stilelemente. Einmal mehr erkunde ich die Arbeitsleben und die Überzeugungen und Enttäuschungen der portugiesischen Menschen. Joaquim Calçada führt uns in dem Film durch seine Erinnerungen. Mit Hilfe seiner Stimme beginnen wir die Reise, in seinem phantasmagorischen Taxi. Aber es handelt sich nicht um eine rein geografische Reise, auch die jüngere portugiesische Geschichte ist fragmentarisch in den Film verwoben.
Joaquim steht kurz vor der Pensionierung. Die Wirtschaftskrise zwingt das Unternehmen, in dem er arbeitet, zu Umstrukturierungsmaßnahmen: Arbeitsplätze werden abgebaut. Das Ereignis entfesselt Kräfte, die von verschiedenen Orten und Zeiten zusammenlaufen. Joaquim reist durch seine Erinnerungen – Erinnerungen an die USA mit ihren Einwander*innen und an Portugal, ein durch viele Jahre der Diktatur und der Wirtschaftskrisen verarmtes Land. NO TÁXI DO JACK ist kein abgeschlossenes Roadmovie, das einer geraden Linie folgt und an verschiedenen Punkten Halt macht – der Film beschreibt vielmehr eine kreisförmige Bewegung um Jacks Lebensgeschichte.
Übersetzung: Gregor Runge