Giorgi Lomsadze, Eurasianet, 22. März 2018
Der Anblick glich einem surrealen Gemälde: Ein Baum mit mächtigem Stamm und ausladender Krone schwamm übers Meer, auf einer großen, von einem Schlepper gezogenen Barge und unter einem bewölkten Himmel. Nie zuvor hatten die Menschen im Land etwas derart Kurioses über das Schwarze Meer fahren sehen. Wer auch immer den Tulpenbaum (Liriodendron tulipfera) vor hundert Jahren in der kleinen Küstenstadt Tsikhisdziri gepflanzt haben mochte, hätte sich wohl kaum vorstellen können, dass er inmitten der Blüte seines Lebens in den etwa zwanzig Kilometer weiter nördlich in Shekveteli gelegenen Baumgarten von Bidzina Iwanischwili reisen würde. Iwanischwili ist der wichtigste politische Strippenzieher und reichste Mannes Georgiens.
Die Cartu Group, Bidzina Iwanischwilis Unternehmen, rühmte sich damals, im Jahr 2016, mit einer logistischen Leistung, die die Welt so noch nicht gesehen hatte. (Cineast*innen fühlten sich an eine berühmte Szene aus DER BLICK DES ODYSSEUS von 1995 erinnert, in der eine Lenin-Statue verschifft wird.)
Wie sich herausstellte, war das nur der Anfang. Bald schon wurden an der georgischen Küste zahlreiche Bäume entwurzelt und in den neuen, am Meer gelegen Park des georgischen Milliardärs und Ex-Premierministers verschifft.
In den letzten zwei Jahren sind in der subtropischen Küstenregion Dutzende von Tulpenbäumen, Magnolien, Linden, Zypressen und Eukalyptusbäumen ausgegraben worden, um den Park des Milliardärs zu zieren. „Große Bäume sind mein Hobby“, hat Iwanischwili einmal bekannt. Zuletzt hat er sich seiner dendrologischen Neigung hemmungslos hingegeben.
Internet-Memes zeigen Bäume, die um ihr Leben rennen, hinter ihnen her jagt Iwanischwili mit einem Spaten bewaffnet.
In den Regionen Achara und Guria sind zahlreiche Arbeiter und sehr viel schweres Gerät zum Einsatz gekommen, um Bäume zu entwurzeln, die auf Privatgrundstücken, als Teil von Windschutzpflanzungen und in kleinen Hügelwäldern herangewachsen sind. Um den logistisch komplizierten Transport zu ermöglichen, ist eine eigene Infrastruktur entstanden: Schneisen wurden durch Wälder geschlagen, neue Molen wurden weit ins Meer gebaut, selbst die Oberleitungen von Bahntrassen mussten weichen und der Verkehr angehalten werden, damit die Bäume mit ihren massiven Wurzelballen, die in eigens dafür gezimmerte Holzbehältnisse eingefasst wurden, auf Schwerlasttransportern zum Meer gebracht werden konnten.
Es war ein bizarrer Anblick, als marschierten die Bäume auf Geheiß eines Zauberkönigs ihrem Ziel entgegen. Prokofjews „Tanz der Ritter“ wäre die perfekte musikalische Untermalung gewesen. Das Spektakel hat den schwarzen Humor der Menschen beflügelt: Internet-Memes zeigen Bäume, die um ihr Leben rennen, hinter ihnen her jagt Iwanischwili mit einem Spaten bewaffnet. Wer heute in Georgien einen großen Baum sieht, pflegt zu sagen: „Hoffentlich übersieht den Iwanischwili.“
Sehr viele Menschen finden den Spleen des Milliardärs alles andere als witzig. Er hinterlässt eine Spur der Zerstörung und verschandelt Georgiens beliebte Urlaubsregion.
„Der Schaden ist enorm“, so Nata Peradze, Mitglied der Aktivistengruppe Guerrilla Gardening, gegenüber Eurasianet. „Und es geht hier nicht nur um die Bäume, die verpflanzt werden, denn für den Transport müssen auch andere Bäume weichen.“
Schon im letzten Sommer erkannten Urlauber*innen bestimmte Orte nicht mehr wieder. Von einem malerischen Wäldchen in der Nähe des beliebten Seebads Kobuleti war nur noch eine löchrige morastige Fläche übriggeblieben. „Ein Baumfriedhof“, so eine Anwohnerin.
Ähnliche Ruinenfelder finden sich inzwischen auf beiden Seiten der Hauptstraße, die sich an der georgischen Schwarzmeerküste entlang bis zur türkischen Grenze schlängelt.
Iwanischwilis Cartu Group zahlt großzügige Entschädigungen und konnte sich dadurch die Kooperation der zumeist armen Gemeinden sichern. Aber inzwischen wächst der Unmut der Menschen.
In diesem Monat sind die Arbeiten noch weiter in den Süden vorgedrungen und nähern sie sich Batumi, Georgiens wichtigster Küstenstadt. Kürzlich veröffentlichte Drohnenaufnahmen zeigen einen einst üppig bewaldeten Hügel, der sich unweit des Dorfes Buknari erhebt, von Bulldozern zerwühlt und all seiner Vegetation beraubt. Provisorisch verlegte Betonplatten dienten als Zufahrtsweg. „Und alles wegen zwei Tulpenbäumen, zwei Magnolien und einem Eukalyptus. Der Rest wurde gefällt, um den Weg freizumachen“, so Rezo Kharazi, ein örtlicher Vertreter der Oppositionspartei Vereinte Nationale Bewegung, der das Material veröffentlicht hat.
Kharazi zieht ganz allein gegen den Umpflanzungsrausch zu Felde. Er dokumentiert alles und versucht die Folgen abzuschätzen, indem er die betroffenen Orte aufsucht, filmt und mithilfe von Satellitenaufnahmen Vorher-Nachher-Vergleiche anstellt. „Unseren Schätzungen zufolge wurden etwa 3800 Bäume gefällt, weil sie im Weg waren, etwa 150 wurden verpflanzt“, so Kharazi.
Iwanischwilis Cartu Group zahlt großzügige Entschädigungen und konnte sich dadurch die Kooperation der zumeist armen Gemeinden sichern. Aber inzwischen wächst der Unmut der Menschen: „Diese Bäume wurden mühevoll angepflanzt und sind so lange gewachsen, und all das wird nun der Besessenheit eines einzigen Mannes geopfert? Ich verstehe nicht, warum wir das zulassen“, sagte eine Frau aus Batumi dem Fernsehsender Rustavi 2.
Laut Nata Peradze ist Iwanischwili zu reich, als dass man ihn aufhalten könnte: „Sie sind alle korrumpiert, die Ökologen und Geologen auf der Gehaltsliste der Regierung und die unnütze Grüne Partei auch, alle diese Leute sind Iwanischwilis Wasserträger“, so Peradze.
Iwanischwili tauchte 2012, nach Jahren der Zurückgezogenheit, wieder in der Öffentlichkeit auf. Damals installierte er seine Gefolgsleute an den Schaltstellen der Macht und zog sich wieder zurück. Er gilt als Strippenzieher der georgischen Politik. Sein Vermögen wird auf 4,6 Milliarden Dollar geschätzt, fast ein Drittel des georgischen Bruttoinlandsprodukts. Es besteht wenig Hoffnung, dass seine Schattenherrschaft durch faire Wahlen in Frage gestellt wird, dafür ist sein Einfluss zu groß. Über den öffentlichen Widerstand gegen seine umstrittenen Lieblingsprojekte – neben den Bäumen gehört auch ein mehrteiliger Entwicklungskomplex mit Seilbahnanbindung in Tiflis dazu – setzt er sich einfach hinweg.
Iwanischwili und die Cartu Group behaupten, die Verpflanzung der Bäume verursache keinerlei Umweltschäden. Das georgische Umweltministerium schließt sich dieser Einschätzung an. Die lokalen Behörden erteilen die notwendigen Genehmigungen, und die Polizei hilft beim Transport. Als Mitglieder von Peradzes Guerilla-Gardening-Bewegung versuchten, den Abtransport eines Lorbeerbaums zu verhindern, wurden sie verhaftet. Die Exodus der Bäume schreitet so gut wie ungehindert voran.
Einer alten georgischen Maxime zufolge besteht die Lebensaufgabe eines Mannes darin, ein Haus zu bauen, ein Kind aufzuziehen und einen Baum zu pflanzen. Mit vier Kindern und einem Wohnpalast oberhalb von Tiflis, das einem Raumschiff gleicht, hat Iwanischwili die ersten beiden Punkte sicherlich erfüllt. Aber seine Auslegung des dritten Punktes lässt, wie viele Georgier*innen finden, zu wünschen übrig.
Giorgi Lomsadze ist Journalist und lebt in Tiflis. Er ist Autor des Blogs Tamada Tales.
Übersetzung: Gregor Runge