Meine Filme neigen dazu, kompliziert zu werden, und selbst wenn ich plane, einen sehr einfachen Film zu machen, werden die Dinge oftmals verzwickt. THE FIRST 54 YEARS – AN ABBREVIATED MANUAL FOR MILITARY OCCUPATION sollte eigentlich ein ganz einfacher Film werden: Eine Sammlung von Zeitzeugenberichten von Soldat*innen aus 54 Jahren israelischer Besatzung der palästinensischen Gebiete der Westbank und des Gaza-Streifen. Die Berichte stammen aus dem Archiv von Breaking the Silence, einer Organisation ehemaliger israelischer Soldat*innen, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die israelische Öffentlichkeit über die Abläufe innerhalb der Besatzungsmaschinerie zu informieren.
Ursprünglich trug der Film nur den Titel THE FIRST 54 YEARS. Der Untertitel kam später hinzu. Zunächst war ich überzeugt, dass es ausreichen würde, die Zeitzeug*innenberichte nach einer inneren Logik zu ordnen, um die Geschichte einer der möglicherweise längsten Besatzungen der jüngeren Geschichte zu erzählen. Ich dachte, dass sich durch eine Aneinanderreihung der einzelnen Aussagen von alleine erschließen würde, was eine Besatzung bedeutet: Was es bedeutet, Besatzer zu sein, was nötig ist, um eine Besatzung aufrechtzuerhalten, und unter welchem System die Palästinenser in den besetzten Gebieten leben müssen. Mir war von Anfang an klar, dass ich mich darauf konzentrieren wollte, wie die Soldat*innen Maßnahmen, Handlungen, Befehle und Mechanismen beschrieben, und nicht darauf, wie sie ihre Handlungen reflektierten. Doch während der Arbeit im Schnittraum wurde mir klar, dass ich dem Ganzen einen Rahmen geben musste, der die tiefere Bedeutung dieses riesigen Projekts - dem größten des Staates Israel in seinem 73-jährigen Bestehen - vermitteln konnte. Denn trotz allem gehe ich nicht davon aus, dass es Israels alleiniges Ziel ist, Leid über die Palästinenser*innen zu bringen.
Mir war klar, dass ich keine Akteur*innen des Systems, das die Besatzungsregeln entwickelt und eingeführt hatte, zu einer Mitarbeit an diesem Projekt und zu ehrlichen Aussagen über die Logik der riesigen Besatzungsmaschinerie würde bewegen können.
Mir war klar, dass ich um mein Vorhaben abzuschließen, den beeindruckend Fundus an Zeitzeugenberichten mit einer bestimmten Logik verbinden musste, um ein tieferes Verständnis dafür zu vermitteln, warum die Besatzung bereits so lange andauert und ein Ende in absehbarer Zeit unwahrscheinlich ist. In der Mehrzahl der Aussagen geht es um lokale Ereignisse, die an sich keinen Hinweis darauf enthalten, welche allgemeinen Ursachen ihnen zugrunde lagen. Allein die Tatsache, dass eine Ausgangssperre verhängt, ein Kontrollpunkt errichtet, eine Person inhaftiert oder die Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird, sagt gewöhnlich nichts aus über das größere Ziel, um das es dabei geht. Aus diesem Grund entwickelte ich das „Abbreviated Manual for Military Occupation“ als eine Art Anleitung für die Durchführung einer militärischen Besatzung, in der es nicht nur um das „wie“, sondern auch um das „warum“ derartiger Maßnahmen geht: Welchem allgemeinen Zweck dient dieser oder jener Mechanismus? Und was bewegt die Besatzungsmacht dazu, ein bestimmtes System von Gesetzen und Regelungen für die Bewohner*innen der besetzten Gebiete einzuführen?
Mir war klar, dass ich keine Akteur*innen des Systems, das die Besatzungsregeln entwickelt und eingeführt hatte, zu einer Mitarbeit an diesem Projekt und zu ehrlichen Aussagen über die Logik der riesigen Besatzungsmaschinerie würde bewegen können. Ich hatte daher keine andere Wahl, als selbst die Rolle eines Repräsentanten dieses als israelische Besatzung bekannten umfassenden Systems zu übernehmen.
Übersetzung: Kathrin Hadeler