In seinem Werk „Philosophie der Weltbeziehungen“ warnt uns Edouard Glissant davor, die Bedeutung von Opazität zu fixieren oder zu lokalisieren. Es gibt Opazität im Dunkeln und im Licht. Opazität ist eine nicht-imperative Klarheit, mittels derer wir von absolutistischen Identitäten zu relationalen Identitäten migrieren können, wo die Transparenz dessen, was wir für die Wahrheit halten, ständig getestet und verändert wird, wenn es in Berührung und Verwebung mit Erfahrungen aus anderen Orten und Zeiten kommt, die es seinerseits ebenfalls beeinflusst, ohne zu dominieren oder abzuwerten. Sogenannte große Zivilisationen sind von einer Vielzahl an Kulturen abgelöst worden, die einander berühren und miteinander in Beziehung treten. Jedoch definieren sie auf keine endgültige, gemeinsame oder methodische Art und Weise die Regeln, die den Konventionen der Schönheit zu Grunde liegen, die Gesetze der Erscheinung und Repräsentation des Schönen. Anders gesagt: In diesem unentwirrbaren, komplexen Reigen der Weltkulturen sind wir für das Zittern, die Erschütterungen und das Pulsieren des Schönen viel empfänglicher als für die konventionellen Darstellungen des Schönen. Für Glissant ist das Schöne nicht die Schönheit. Das Schöne ist erstarrte Schönheit.
Opazität kann als Brücke zwischen verschiedenen Identitäten dienen, anstatt eine Wand zwischen ihnen hochzuziehen.
Dieses poetische Konzept der Schönheit als Prozess – und nicht als Modell oder Algorithmus – hat mich beeinflusst. Ich habe in diesem Film versucht, das, was Glissant unser Recht und das Recht anderer auf Opazität nennt, zu erkunden und zu verteidigen, indem ich den Ndeup (ein heilendes Besessenheitsritual der Lebou im Senegal) mit dem in Bezug setze, was wir heute als künstliche Intelligenz kennen. Opazität generiert Diversität. Opazität kann als Brücke zwischen verschiedenen Identitäten dienen, anstatt eine Wand zwischen ihnen hochzuziehen. Indem wir dem Gedicht der Opazität begegnen, seinen Bildern und Tönen, können wir endlich die Stimmen jener hören, die von der universellen Anwendung von Algorithmen stumm oder unsichtbar gemacht wurden. Wir erzittern in ihrem Schauder und erkennen, dass wir niemals allein sind. Selbst dann nicht, wenn niemand bei uns ist. Wir wissen, dass wir immer viele und vieles sind, niemals singulär.
Manthia Diawara