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Okay, was hat es mit diesem Film auf sich, den ich 1973 gedreht habe, und der nun 2023 im Berlinale Forum gezeigt wird – von dem das Publikum anspruchsvolle, wertige Filme erwarten darf, die Neues über Bildsprache und Vokabular des zeitgenössischen Kinos verraten?

Ich weiß nicht, wie ich A RAINHA DIABA (The Devil Queen) definieren soll, einen ungewöhnlichen Film, der sich kaum einem gängigen Genre zuordnen lässt, denn ungeachtet der Schüsse, Messerstechereien und Gewalt wollte ich weder einen Polizeithriller drehen, noch ein realistisches Bild der kriminellen Unterwelt Rio de Janeiros zeigen.

Dem 33-jährigen Typen, der 1973 A RAINHA DIABA drehte, schwebte ein Gegenwarts-Film neuer Machart vor, den er zunächst als schwulen Blut-und-Pailletten-Popfilm ankündigte. Ursprünglich sollte der Film THE MARIJUANA WAR heißen, doch alles änderte sich radikal, als ich dem Bühnenautor Plínio Marcos mein Drehbuch präsentierte: Er schlug vor, der Anführer der Gang von Dealern, die sich in interne Machtkämpfe verstricken, bis sie am Ende alle draufgehen, könnte doch ein süßer und grausamer Schwuler namens „Die Teufelskönigin“ sein.

Es faszinierte mich, als Regisseur eine neue, andersartige Realität erschaffen zu können, jenseits aller Grenzen des Salonfähigen.

Der Plot, den ich mit Marcos entwickelte, erzählt zwar die Geschichte bis zum blutigen Ende, doch in dem Film steckt, wie bei allem, was ich an Kino liebe, weit mehr als die Story, die er erzählt. Es faszinierte mich, als Regisseur eine neue Realität weitab alles Salonfähigen erschaffen zu können, die in allem und jedem anders war: in der Kameraführung, im schrillen Sound, in den künstlerischen Kollagen, in Szenenbild, Kostümen und subversivem Makeup, in der penetranten Musik, der burlesken Schauspielerei, dem knallroten Blut und den goldglitzernden Pailletten.

Ich improvisierte meine Regieführung direkt auf dem Set, probte die Kamerafahrten, indem ich meinen Darsteller*innen mit meiner Super-8 hinterherjagte, damit José Medeiros die Bewegungen dann mit seiner entfesselten 35mm-Kamera nachdrehen konnte. Das war damals unsere Einstellung: meine, die des Teams und die der Besetzung. Entfesselte kreative Freiheit, eine rebellische, unbeschwerte Randexistenz. Und dieser Spirit ist noch lebendig genug, um sich auf alle zu übertragen, die den Film heute sehen.

Milton Concalves, Odete Lara, Nelson Xavier und Iara Cortes sind nur einige der fantastischen Darsteller*innen aus meinem bizarren Ensemble, die nicht mehr auf diesem Planeten weilen, aber in den Bildern dieses Films noch immer sehr lebendig sind; ausgeleuchtet, geschminkt, kostümiert, geschmückt und in Szene gesetzt von einem Team von Kreativen, die uns ebenfalls bereits verlassen haben: Angelo de Aquino, José Medeiros, Carlos Prieto, Emiliano Ribeiro, Rafael Valverde, Guilherme Vaz und viele andere mehr.

Ich präsentiere A RAINHA DIABA im Andenken an sie und den Filmemacher und Produzenten Roberto Farias, der den Mut und die Fantasie hatte, diesen Film zu produzieren. Möglich wurde diese Hommage nur, weil sich William Plotnick, Kleber Mendonça, Zelito Vianna, Digital Link und Debora Butruce gemeinsam um die digital restaurierte Fassung verdient gemacht haben, auf die Sie sich freuen dürfen.

Ich danke allen Genannten von ganzem Herzen und natürlich auch dem Berlinale Forum, das seine Pforten dem karnevalesken Ball der Teufelskönigin öffnet.

Antonio Carlos da Fontoura
Übersetzung: Clara Drechsler, Harald Hellmann

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