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EIN HERBST IM LÄNDCHEN BÄRWALDE (1983) gehört zu einer Reihe von dokumentarischen Abschlussfilmen aus den siebziger und achtziger Jahren der damaligen Hochschule für Film und Fernsehen der DDR, die vom Essigsäuresyndrom betroffen sind und von der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF in einer Auflösung von 4K+ digitalisiert und restauriert wurden. Ermöglicht wurde das mit Mitteln des Förderprogramms Filmerbe, finanziert durch die Beauftragte für Kultur und Medien der Bundesregierung, die Länder und die Filmförderungsanstalt, die Digitalisierung übernahm 2021/22 Pharos – The Post Group.

In seiner Abschlussarbeit im Fachbereich Regie vergleicht der Inder Gautam Bora das Leben einer Brandenburger LPG-Bauernfamilie in drei Generationen mit dem von Bauern seines Landes. Wie viele Abschlussfilme der damaligen Hochschule für Film und Fernsehen der DDR wurde der Film auf Farb-Umkehrfilm gedreht und als Auftragsarbeit für das Fernsehen der DDR produziert (beim Umkehrverfahren wird im Unterschied zum Negativ-Prozess in den Schichten des Aufnahmematerials bereits ein positives Bild entwickelt). Das Fernsehen der DDR war seit 1969 Partner der Filmhochschule und wurde zu einer wichtigen Präsentationsplattform für die Studierenden.

Erhalten sind von EIN HERBST IM LÄNDCHEN BÄRWALDE sowohl das Umkehroriginal und separate Magnettonmaster als auch davon hergestellte Umkehrkopien mit kombiniertem Magnetton im Magazin des an die Bibliothek angegliederten Filmarchivs der Filmuniversität. Die umfassende filmische Überlieferung bot Einblicke in die damalige Produktionsweise des Films, was angesichts des durch das Essigsäuresyndrom, aber auch Farbausbleichen bedrohten Materials von hoher Relevanz für die Restaurierung war.

Bei der Prüfung des Farb-Umkehroriginals stellten wir anhand der Randsignaturen der Rohfilmhersteller die Verwendung von zwei unterschiedlichen Materialien fest, Orwo und Agfa-Gevaert. Warum diese Mischung bei den Dreharbeiten des Films? Nachfragen beim Kameramann Marwan Salamah und Kameraleuten anderer in gleicher Weise produzierter Filme ergab: Orwo war bei den Studierenden nicht beliebt. Es hatte eine geringe Empfindlichkeit, war also wenig geeignet für schwierige Lichtverhältnisse, wie in diesem Fall bei Außenaufnahmen in wechselndem Herbstwetter. Außerdem wurde der Kontrast als steil empfunden, mit besonders nachteiliger Wirkung auf Hauttönen. Anders dagegen Agfa-Gevaert-Material, das eine höhere Empfindlichkeit hatte. Es wurde über das Fernsehen der DDR bereitgestellt, war jedoch streng kontingentiert und nur mit Antrag verfügbar, in dem die Studierenden begründen mussten, warum sie es für bestimmte Drehsituationen brauchten. Lediglich ca. 20 Prozent des Films konnten auf Agfa-Gevaert gedreht werden.

Welche Farbcharakteristik und Kontraste sollten überhaupt restauriert werden angesichts der Unsicherheit bei der Beurteilung des Umkehroriginals?

Aus heutiger konservatorischer Sicht ist das Orwo-Material überlegen. Die Farben wirken deutlich stabiler als die des Agfa-Gevaert Materials, das einen Rosa-Farbstich hat. Der unterschiedliche Erhaltungszustand beider Rohfilmarten verstärkt den Eindruck der Farbsprünge, der sich bei Nutzung von Orwo und Agfa-Gevaert innerhalb eines Films optisch ergibt. Auch die Kornstruktur beider ist aufgrund ihrer unterschiedlichen Empfindlichkeit deutlich unterschiedlich. Die höhere Empfindlichkeit des Agfa-Gevaert-Materials bedeutet mehr Körnigkeit, während das wenig empfindliche Orwo-Material entsprechend feinkörnig ist.

Welche Farbcharakteristik und Kontraste sollten überhaupt restauriert werden angesichts der Unsicherheit bei der Beurteilung des Umkehroriginals? Von Kameraleuten erfuhren wir, dass Unterschiede zwischen den auf Orwo und Agfa-Gevaert gedrehten Teilen immer sichtbar waren und akzeptiert wurden, da man froh war, die schwierigen Szenen mit gutem Resultat auf Agfa-Gevaert drehen zu können.

Entscheidend ist, wie diese Sprünge in den Umkehrkopien aussahen, die für die Fernsehausstrahlung und vermutlich auch für Nutzung auf Festivals und im Kino hergestellt worden sind. Die beiden Umkehrkopien von EIN HERBST IM LÄNDCHEN BÄRWALDE wurden auf Orwo-Material gezogen und weisen wiederum eine andere Farbcharakteristik als das Umkehroriginal auf. Die Herstellung der Kopien bot die Möglichkeit, die Materialsprünge etwas auszugleichen. Das Umkehroriginal weist sogenannte Schaltkerben im Filmrand auf, ein Zeichen dafür, dass an Umschnitten bei der Kopierung ein Wechsel des Kopierlichts erfolgt war. Marwan Salamah war bei dieser Interpretation des Umkehroriginals zur Herstellung von Kopien nicht beteiligt. Vielmehr scheinen Lichtbestimmungskorrekturen in der Hand des Kopierwerks des Fernsehens gewesen zu sein. Damit stellte sich die ganz grundsätzliche Frage, was für uns bei der digitalen Lichtbestimmung überhaupt die visuelle Referenz sein sollte, das Umkehroriginal oder die Kopien? Die Kopien sind trotz Nivellierung der Farbcharaktersprünge nicht unbedingt überzeugend. Sie wirken entsättigt und bläulich.

Dies wirft Fragen der Autorisierung der ästhetischen Werte der Kopien der Abschlussfilme auf und damit auch der Werktreue bei der Restaurierung. Ausgangsmaterial des Scans war das Umkehroriginal, um dieses im Fall des Verlusts durch Essigsäuresyndrom durch ein Digitalisat ersetzen zu können. Die Referenz zu der wir uns bei der digitalen Lichtbestimmung entschlossen haben, könnte man beschreiben als Nutzung der Umkehrkopie ohne das Umkehroriginal aus den Augen zu verlieren. Wir haben uns an der Kopie orientiert, ohne ihre starke Farbentsättigung zu übernehmen. Wichtige Referenz war sie vor allem für die im Umkehroriginal ausgeblichenen Einstellungen auf Agfa-Gevaert und für das Ausmaß, in dem die Charaktersprünge zwischen Orwo und Agfa-Gevaert mit der Kopie ausgeglichen wurden ohne sie zu beseitigen.

Anke Wilkening ist Projektkoordinatorin des Förderprogramm Filmerbe der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF.
Katja Krause ist Leiterin der Universitätsbibliothek der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF.

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