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Die Cap Arcona mit dem Bettuch des Kapitäns am Mast, brauchte eine Stunde, dann neigte sie sich nach Backbord, langsam, immer schneller, bis sie mit ihren sechsundzwanzig Metern Breite auf der Seite lag, acht Meter davon über Wasser.
Inzwischen war das Sterben rasch gegangen, auch vielfältig.
(...)
Gerettet wurden 3100 Menschen. Umgekommen war eine Zahl Menschen zwischen sieben und achttausend. (...)
Die Toten trieben an alle Ufer der Lübecker Bucht. (...)
Sie ließen sich finden fast jeden Tag. An der Küste von Jerichow kamen zu viele an, die konnte der Finder nicht alle heimlich verscharren im Strandsand.  [...]
Wenn der Wagen voll war, fuhren sie die Ladung tief ins Land hinein, bis nach Kalkhorst, nach Gneez sogar. Wenn sie in Jerichow einfuhren, wurden die Seitenklappen heruntergetan. Die Militärpolizei holte die Deutschen aus den Häusern, damit sie die Fracht ansahen, die im Schritt durch die Stadtstraße zum Friedhof gefahren wurde. Langsamer als Schritte. Die Fracht war nicht leicht zu erkennen. Sie war beschädigt von Schußwunden, Brandschrumpfung, Bombensplittern, Schlägen. Sie war zu erkennen an der verfärbten, aufgeplatzten, eingeschlungenen Kleidung aus Streifentuch. (Oft waren die einzelnen Stücke Mensch nicht vollständig. Es fehlten Glieder, oder auf der Ladefläche lagen Glieder ohne Rumpf, eines Tages nichts als ein Stück Kopf. An dem hatten die Fische viel gefressen.) Die Briten holten die Leute von Jerichow auf dem Marktplatz zusammen. In der Mitte lag die erste Fuhre Tote.
Der Kommandant übergab den Deutschen ihre Toten. Er machte sie zu ihrem Eigentum. Er erlaubte ihnen, die sterblichen Überreste aus dem Meer in Särge zu legen. Sie durften dann die Särge schließen und auf den Friedhof tragen. Als das Massengrab zugeschippt war, schossen die Briten eine Ehrensalve in die Luft. Am Ausgang des Friedhofs stand ein Sergeant mit einem Kasten vor dem Bauch, darauf stempelte er die Lebensmittelkarten ab. Wer die Toten nicht angenommen hatte, sollte nicht essen.

Zitat aus: Uwe Johnson: „Jahrestage. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Bd.3“, Suhrkamp: Frankfurt a. Main 1973, S.1112-1115. 
Mit freundlicher Genehmigung des Suhrkamp Verlags.

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