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„Einst waren wir eins“, heißt es in einer Gedichtzeile der rumänischen Lyrikerin, Journalistin und Übersetzerin Nina Cassian, die Vlad Petris ÎNTRE REVOLUȚII wie ein übergeordnetes Thema begleitet. „Mă taie în două“ ist der Titel des Poems, was so viel heißt wie: „Mich in zwei Hälften spalten“. Die Spaltung, von der die Rede ist, vollzieht sich im Film auf ganz verschiedenen Ebenen. Zunächst ist ÎNTRE REVOLUȚII die Geschichte eines Abschieds. Zwei junge Medizinstudentinnen, Zahra und Maria, lernen sich in den siebziger Jahren an der Universität in Bukarest kennen. Zahra, die aus dem Iran kommt, entschließt sich 1978 zur Rückkehr, sie möchte Teil des gewaltigen politischen Umbruchs sein, der sich auf den Straßen formiert und ein Jahr später mit dem Sturz des Schahs als „Islamische Revolution“ in die Geschichte eingehen wird. Die zwei Freundinnen werden getrennt und kommunizieren in den nächsten Jahren – bis zur „nächsten“ Revolution, dem Ende des Ceaușescu-Regimes 1989 – ausschließlich über Briefe. Zu Found-Footage-Material, das der Filmemacher Vlad Petri in akribischer Archivarbeit aus offiziellen und privaten Quellen zusammengetragen hat – viele der Bilder waren bisher noch nie zu sehen – , werden sie aus dem Off verlesen.

Auch die beiden Revolutionsbewegungen, die den Film wie eine Klammer rahmen, sind Geschichten des Zerfalls und der Spaltung. Die unterschiedlichen Kräfte, die sich, angetrieben von der Vision für eine neue Gesellschaft zur Einheit formierten, werden bald in eine religiöse Bewegung unter der Führung Chomeinis gezwungen, aus der „Iranischen Revolution“ wird eine „Islamische Revolution“. Bürgerliche und linke Oppositionelle, darunter auch Zahras Vater, sehen sich Repressionen und Verfolgung ausgesetzt, dem neuen theokratischen Staat gelten sie als Feinde. In einem Klima der permanenten Beobachtung und des Verdachts bleibt den beiden Frauen nur der Weg in die innere Emigration und den Kompromiss: Zahra im Iran, Maria, im Sichtfeld der Geheimpolizei Securitate und in eine nicht gewünschte Ehe gedrängt, in Rumänien. Auch nach dem Sturz Ceaușescus weicht das Versprechen, das sich mit der Revolution verband, schnell einem Gefühl der Ernüchterung, von den schönen Freiheiten bleibt im post-kommunistischen Kapitalismus wenig übrig. „Ich wusste nicht, dass Klippen so wild sein können … da ist der Mond, und der Fluss, der mich entzweireißt, ich sage es noch einmal, einst waren wir eins ...“

ÎNTRE REVOLUȚII ist jedoch ebenso ein Film der Verknüpfungen und Wechselbeziehungen, der Querverbindungen und Anschlüsse. Trotz der räumlichen Trennung bleiben die Freundinnen eng miteinander verbunden, der Briefwechsel stellt Nähe her, er schafft einen intimen Raum im Aufruhr der Geschichte. Die individuellen Biografien von Zahra und Maria werden dabei nicht nur mit einer Chronik der politischen Ereignisse im Iran und in Rumänien verwebt. Ihre Geschichten stehen auch exemplarisch für weibliche Erfahrungen in dieser Zeit, an diesen Orten. Zumindest für die gesellschaftliche Gruppe junger Frauen, die in den siebziger Jahren ein Studium an einer Hochschule aufnahm und sich wenig später mit den Realitäten der Arbeitswelt und der (in ihrem Land freilich unterschiedlich gestalteten) Geschlechterordnung konfrontiert sah.

Private und offizielle Aufnahmen produzieren jeweils andere Frauenbilder – auch andere Gesichter und andere Körper –, Vlad Petri bringt sie immer wieder in ein dialektisches Verhältnis.

Bilder von Frauen, allein, zu zweit, aber vor allem in der Gemeinschaft anderer Frauen, sind die zentrale visuelle Spur, die durch den Film führt. Zu sehen sind sie beim Studium, bei der Arbeit in den Fabriken, beim Zeitvertreib, bei Demonstrationen auf den Straßen von Teheran und Bukarest. Private und offizielle Aufnahmen produzieren jeweils andere Frauenbilder – auch andere Gesichter und andere Körper –, Vlad Petri bringt sie immer wieder in ein dialektisches Verhältnis. In einer Reportage des rumänischen Fernsehens über das „Jahr der Frauen“ sieht man sie beim Schminken, Kissenausklopfen, Bügeln, bei der Kinderbetreuung: „Sie tun, was sie schon immer getan haben: Sie gebären, leben glücklich, arbeiten, fühlen intensiv, denken, leiden und hoffen.“ Auf den Bildern dagegen, die die Frauen eher beiläufig einfangen: Purzelbäume auf einer Wiese, Gruppenfahrten im Bus, in die Kamera werden hoffnungsvolle, verlegene, lachende, aber auch ernste Blicke geworfen. Keine von ihnen ist Zahra und Maria und doch sind sie in allen anwesend.

Tatsächlich sind die Protagonistinnen und Autorinnen der (von der rumänischen Schriftstellerin und Übersetzerin Lavinia Braniște geschriebenen) Briefe ein Komposit aus einer Vielzahl von Biografien, Identitäten und Stimmen. Inspiriert sind sie von gesammelten Dokumenten der Geheimpolizei und den Versen von Nina Cassian und Forugh Farrokhzad, ihr Gedicht „Der Wind wird uns tragen“ (باد ما را خواهد برد), auf das sich Abbas Kiarostami in seinem gleichnamigen Film bezog, ist im Film zu hören. Die Texte sickern wie auch die melancholischen Lieder in das Archivmaterial hinein, eine Atmosphäre des Verlusts liegt über allem.

Im Laufe des Films treten vermehrt andere Darstellungen in den Vordergrund, die von Uniformität und Symmetrie geprägt sind: absurde Paraden der Ceaușescu-Zeit, in denen der Machtapparat Bild wird, granatenwerfende „Schwestern“ in einem Propagandafilm aus der Zeit des Ersten Golfkriegs, weinende Massen nach dem Tod Chomeinis. Zahras Stimme verschwindet fast unmerklich aus der Erzählung, Maria schreibt weiter. „Wo bist du jetzt?“ Die Fäden zwischen den Frauen bleiben unzertrennt.

Esther Buss lebt in Berlin und arbeitet als Filmkritikerin. Veröffentlichungen u. a. in: „kolik.film“, „Texte zur Kunst“, „Jungle World“ und „Filmdienst“.

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