In JAII KEH KHODA NIST (Where God is Not) bezeugen vom iranischen Regime misshandelte Menschen, was sie erlitten haben. Der Film versucht zu verstehen, wie dieses totalitäre System in seiner repressivsten Dimension funktioniert, nämlich durch Gefangennahme und Folter. Durch die Inszenierung, die Präzision der Gesten meiner Figuren, durch die Räume, die sie rekonstruieren, löst der Film etwas aus, das nur das Kino auslösen kann. Es offenbart die Monstrosität eines Regimes, das die Menschen zerstören will, das sie der Freiheit beraubt, das sie demütigt und foltert.
Der Film versucht zu verstehen, was der Folterer tut: Was sind seine Handlungen, seine Worte, seine Gewohnheiten? Wie kann ein linker Aktivist unter dem Druck des totalitären Regimes kapitulieren und unter dem Zwang der Repression die Seiten wechseln? Wie ist der Kampf dennoch möglich? Diese Fragen haben meine ersten Filme, im Iran produziert, nicht beantwortet; in ihnen habe ich den Austausch mit den regimetreuen Milizen und den Mullahs gesucht. Diesmal ging es mir darum, die Macht aus einer anderen Perspektive zu verstehen, nämlich aus der Sicht derjenigen, die die Gewalt des Regimes direkt erlebt haben.
Diese Arbeit hat mir geholfen, die Fantasien, die ich selbst über dieses System hege, zu dekonstruieren. Das wird er, so hoffe ich, auch für das Publikum leisten. Autoritäre Regime befeuern solche Fantasien ganz bewusst durch Gerüchte, durch das Gesagte, aber auch das Ungesagte, durch die Existenz von Räumen, die der Sichtbarkeit entzogen sind, wie Folterzimmer und Isolationszellen. Es tragen auch mysteriöse Figuren wie Informant*innen, Folterer oder Henker dazu bei, die das Regime rekrutiert, um die zu unterdrücken oder zu töten, die Widerstand leisten. Zuletzt gibt es aber im selben Moment auch eine imaginäre Welt von Held*innen, die sich trotz allem nicht beugen lassen. Aber was ist es konkret, das ihnen erlaubt, die unvermeidliche Einsamkeit und den Schmerz zu ertragen?
Mit jeder dieser Fantasien konstruieren totalitäre Regime eine Fiktion, in der sie nur zu bereitwillig die Rolle des unzerstörbaren Monsters übernehmen. Filmemacher*innen, Autor*innen, Künstler*innen, Philosoph*innen und Forscher*innen der Gesellschaftswissenschaften stehen vor der Aufgabe, diese Abstraktionen, diese gefährlichen Fiktionen zu konfrontieren und das Reale zu rekonstruieren. Es muss darum gehen, diese Fantasien und irrationalen Ängste zu entmystifizieren und sie in Gefahren zu transformieren, die dann definiert, umschrieben, verhindert und bekämpft werden können. Ich verstehe meinen Versuch, Räume zu rekonstruieren, Folterer vorstellbar zu machen und sie bei ihren Taten zu zeigen, als Kampf gegen diese Abstraktionen.
Eingesperrt in das Unterdrückungssystem, nie mit seinem Gewissen allein, erfüllt der Folterer seine Rolle, ohne sich selbst je zu analysieren.
Natürlich sind es nicht nur wir, die auf diese Art fantasieren. Die Unterdrückenden leben selbst in ihrer eingebildeten Ordnung. Hier, eingesperrt in die von ihnen geschaffenen Fiktionen, glauben sie an ihre Allmacht. Um ihr Gewissen zu beruhigen, fantasieren sie über unsere Dekadenz und die Gefahr, die wir für die Menschheit darstellen. Aber sie wissen auch, dass wir sie nicht mehr als Teil der Menschheit betrachten, auch wenn sie darüber hämisch spotten. Aus ihrer Sicht demonstrieren ihre täglichen Handlungen ihre vieldiskutierte Menschlichkeit – für sie selbst, ihre Nächsten, für alle, die auf ihrer Seite stehen.
Eingesperrt in das Unterdrückungssystem, nie mit seinem Gewissen allein, erfüllt der Folterer seine Rolle, ohne sich selbst je zu analysieren. Er verweigert den Blick in den Spiegel, den wir ihm vorzuhalten versuchen und wendet sich ab von seinem anderen Ich, der kleinen Stimme in ihm, die „Stop“ sagen könnte oder die vielleicht verhindert, dass er nachts schlafen kann. Ich habe diesen Film gemacht und mir dabei vorgestellt, dass der Folterer ihn sieht, dass er hört, wie die Opfer nuanciert und ohne Manichäismus über seine Taten, seine Gewalt, seine Unmenschlichkeit sprechen, über die Rolle, in der er gefangen ist und darüber, wie er das alles vor sich selbst rechtfertigen kann. Dieser Film, den Folterer und Verteidiger*innen des Regimes zweifellos sehen werden, kann vielleicht für einen von ihnen zur Gelegenheit werden zum leisen Zweifel an sich selbst. Ihnen diese Möglichkeit zu geben, heißt daran zu glauben.
Mehran Tamadon
Übersetzung: Ekkehard Knörer