In einer Szene ziemlich zu Beginn von Yui Kyoharas SUBETE NO YORU WO OMOIDASU (Remembering Every Night) trifft sich eine Gruppe von Musiker*innen in einem Park, um für ihr am nächsten Tag stattfindendes Konzert zu üben. Sie haben kaum begonnen, da müssen zwei von ihnen schon zur Arbeit. Die Gruppe hat keine Abfolge geplant, hat kein einziges Stück von vorne bis hinten durchgeprobt. Das Konzert, so scheint es, muss im Desaster enden; die Mitglieder sind sich einig, dass sie einfach ihr Bestes tun werden, wenn es so weit ist.
Wir werden diesen Musiker*innen nicht wiederbegegnen, obwohl Noten ihrer disharmonischen Musik die Reise durch den einen Tag begleiten, an dem dieser Film verschiedene Figuren in einem Viertel einander über den Weg laufen lässt: eine Frau auf der Suche nach einem Job, ein Gaszähler-Ableserin, eine Studentin, ein älterer Mann, der sich verlaufen hat. Es ist nicht immer klar, wie die Figuren miteinander verbunden sind; die Szenen akkumulieren sich nicht zu einem zusammenhängenden Plot, sondern folgen eher einer poetischen Struktur, gewinnen an Intensität durch Muster und Echos.
Eine Frage zieht sich als roter Faden durch diese kurzen Szenen: Welche Spuren hinterlassen wir bei unseren alltäglichen Aufgaben und Besorgungen? Welchen Unterschied macht unser Leben?
Es hat etwas Hypnotisches, diese Personen bei ihren alltäglichen Aufgaben zu verfolgen, so gewöhnlich und zart zugleich. Der Film spielt fast ausschließlich an öffentlichen Orten – auf der Straße, in Parks, Cafés, einem Fotoladen, einem Museum, einem Arbeitsamt. Die fluide Erkundung aus großer Nähe erweckt manchmal den Eindruck, als folgte man Ameisen in einer Kolonie, hin- und her flitzend, wenn auch Teil eines größeren Plans.
Leere Räume
Ihrer Natur nach betont die öffentliche Sphäre den Aspekt der Arbeit – die Arten und Weisen, in denen wir unsere Stunden füllen, unseren Lebensunterhalt verdienen, uns nützlich machen. In diesem Film gewinnt Arbeit eine metaphysische Qualität, nicht zuletzt, weil die öffentlichen Räume, in denen die Figuren unterwegs sind, gespenstisch leer sind. Am ergreifendsten ist die Geschichte von Frau Yamazumi, an deren Geburtstag der Film spielt. Sie sucht das Arbeitsamt auf, dann macht sie sich auf zu einer Adresse, an der sie vielleicht Arbeit finden kann. Sie trifft eine frühere Kollegin in einer Bäckerei; die beiden sitzen eine Weile zusammen. Während die Kollegin eine Süßigkeit isst, die sie in der Bäckerei gekauft hat, nimmt Frau Yamazumi nur Schlucke aus ihrer Thermoskanne. Es ist eine still erschütternde Szene.
Dann ist da Herr Takada, der sich in Richtung seiner früheren Wohnung bewegt, unterwegs zurück in eine Zeit, in der er noch vital war und ein Lebensziel hatte. Über Lautsprecher wird verkündet, dass ein älterer Herr verschwunden ist. Herr Takada ignoriert die Aufrufe; schließlich glaubt er, sich in einem anderen Leben zu befinden. Der jungen Frau, die ihn zu geleiten versucht, erzählt er, er müsse zurück an seinen Arbeitsplatz.
Der Effekt, dass die Banalität des alltäglichen Lebens den schimmernden Firnis einer verschwundenen oder außer Reichweite geratenen Bedeutung trägt, findet sich überall in den langsamen, langen Einstellungen des Films.
Eine Frage zieht sich als roter Faden durch diese kurzen Szenen: Welche Spuren hinterlassen wir bei unseren alltäglichen Aufgaben und Besorgungen? Welchen Unterschied macht unser Leben? Zwei Freundinnen besuchen am Todestag ihres Freundes Dai ein archäologisches Museum. Während sie am Abend im Park Wunderkerzen abbrennen lassen, fragen sie sich, ob in 4500 Jahren noch eine Spur von Dai, der so jung starb, geblieben sein wird. „Er hat keine Tonfigur hinterlassen, also wird er vielleicht ganz verschwinden“, meint eine der beiden. „Von Feuerwerk bleibt nur Rauch. So ist das nun mal.“
Das Passende
Und um welche anderen Nächte geht es im so umfassenden Titel des Films? Um jede der Nächte, die man mit einem verstorbenen Freund verbracht hat? Um jede Nacht des eigenen Lebens? Schließlich gibt es in diesem Film nur eine einzige Nacht, dennoch ist die Erzählung voll mit Abwesenheit, geisterhaft wie das ambivalente Erinnern des Titels. In einer Szene früh im Film, erfahren wir, dass auf einer Tastatur ein Buchstabe fehlt. Und später, dass Herr Takada verschwunden ist. Die Bewohner*innen eines Hauses, nach denen Frau Yamazumi an ihrem Geburtstag in der Hoffnung auf eine Anstellung sucht, sind weggezogen. Wir erfahren, dass Dai, als er noch lebte, jemand war, der Aktivitäten eher festhielt, als an ihnen teilzunehmen, als hätte das Verschwinden von der Erde seine Existenz bereits zu verschatten begonnen. Bei seinem Tod blieben eine Reihe bereits entwickelter Fotografien und ihre Negative unabgeholt. Der junge Mann im Fotoladen, der diese Information übermittelt, verbringt seinen Abend damit, Heimvideos von Geburtstagen zu montieren: verschwundene Momente, verschwundene Kindheiten. Diese Szenen müssen für die, die sie filmten, sehr wichtig gewesen sein, an diesem Abend jedoch scheinen sie in ihrer Fülle und Anonymität zugleich trivial. Der Effekt, dass die Banalität des alltäglichen Lebens den schimmernden Firnis einer verschwundenen oder außer Reichweite geratenen Bedeutung trägt, findet sich überall in den langsamen, langen Einstellungen des Films.
Frau Yamazumi sitzt im Arbeitsamt und fragt den Sachbearbeiter, ob er etwas hat, das zu ihrer bisherigen Arbeitserfahrung passt, um den teils absurden Vorschlägen, mit denen er ihr selbst wenig überzeugt kommt, ein Ende zu machen. Das ständige Bemühen, die Dinge an ihren passenden Ort zu fügen – was nicht immer gelingt –, bleibt eines der nachhallenden Motive, die Kiyohara entlang des einen Tags verfolgt, den sie orchestriert. Das Bemühen ist wie die als Rätsel daherkommende Form des Films selbst zusammengefügt aus Bewegungen, die nicht immer ein glattes Muster ergeben: Die Figuren gehen verloren, werden aufgehalten, geraten vom Weg, wenn ihre Aufmerksamkeit nachlässt. An einer Stelle versuchen die beiden Freundinnen von Dai die scharfkantigen Stücke der Kopie eines prähistorischen Topfes zusammenzufügen, wie man ein Puzzle zusammenfügt. Herr Takada versteht nicht, warum sein Schlüssel die Tür seiner früheren Wohnung nicht öffnet. Es ist dasselbe Gefühl, mit dem der Film beginnt, wenn es den jungen Musiker*innen nicht ganz gelingen will, ihre Noten in einer Harmonie zu vereinen. Es ist etwas Mitleiderregendes und zugleich Liebenswertes in diesen Bemühungen – in der Textur unseres Lebens.
Ayşegül Savaş ist Autorin der Romane „White on White“ und „Unsere Freundschaft ist wie ein Traum“ und lebt als Schriftstellerin in Paris.
Übersetzung: Ekkehard Knörer