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„Wenn du sehen willst, höre. Durch das Hören kommst du dem Sehen näher.“ Es ist, wie Bernhard von Clairvaux schon im 12. Jahrhundert geschrieben hat. Die Worte sind von Schweigen umschlossen und die Stimme selbst stößt und reißt Löcher in die sie umgebende Stille.

Ich interessiere mich seit Langem für die Funktion des Voiceover-Kommentars und dafür, wie das Vortragen eines Textes Bilder verändern und ihnen Bedeutung und Schwere verleihen kann. Schreiben bzw. das geschriebene oder gesprochene Wort haben bei meiner Arbeit schon immer eine gewisse Rolle gespielt. Aber mit Filmen wie ASCENT (2016) und DEAREST FIONA (2023) wurden Kommentar und Stimme geradezu zum zentralen Element meines Werkes. Die Verknüpftheit unseres Gedächtnisses mit inneren Bildern ist ein Verhältnis, das ich immer wieder neu untersuche. Vor allem das Kino nimmt in dieser Beziehung einen besonderen Platz ein. Sowohl Filme als auch Erinnerungen können uns an einen anderen Ort, in eine andere Zeit versetzen. Eine Erfahrung wie eine Doppelprojektion: Man ist an zwei Orten gleichzeitig.

Für die Erzählstimme strebe ich eine Sprechweise an, die nicht monoton ist, sondern eher fluktuierend; sie soll einen die Dinge selbst hören lassen, anstatt von ihnen zu berichten. Für DEAREST FIONA wurde die Stimme zu einer Figur aus Fleisch und Blut, aus Gedanken und Gefühlen. Unterstützt und kontrastiert von einer ausgreifenden Klanglandschaft, lässt die Kreuzung von bild- mit textbasierten Erzählungen, von taktilen Bilder mit dieser geradezu ertastbaren Erzählerstimme langsam den Film entstehen. Ich habe schon oft gedacht, dass die Bezeichnung dafür nicht „Voiceover“ lauten sollte, sondern vielmehr „Voiceunder“.
 

Fiona Tan, geboren 1966 in Pekanbaru, Indonesien, ist als Künstlerin und Filmemacherin in den Niederlanden tätig. Ihre Arbeiten wurden in zahlreichen Einzelausstellungen weltweit präsentiert. Ihr dritter Langfilm DEAREST FIONA wurde 2023 zum Berlinale Forum eingeladen.

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