Nach dem 7. Oktober 2023 kontaktierten mein Bruder Lance und ich unsere Großfamilie in Israel, um uns zu erkundigen, ob sie wohlauf sind.
Als wir mit unserem Verwandten Yehuda sprachen, erfuhren wir, dass seine Tochter Liat und sein Schwiegersohn Aviv in ihrem Kibbuz als vermisst galten und vermutlich als Geiseln in Gaza festgehalten wurden. Da Liat eine von einem Dutzend vermisster amerikanischer Staatsbürger*innen war, erklärte Yehuda, dass er mit seiner Familie zu uns nach Washington, D.C. kommen wolle, um sich für ihre Freilassung einzusetzen.
Wir wussten nicht, was auf uns zukommen würde, aber wir hatten das Gefühl, dass wir die Erfahrungen der Familie unbedingt dokumentieren sollten. Wir begannen damit, Fragen zu stellen, zu beobachten und in ruhigen Momenten präsent zu sein, in denen oft keine anderen Kameras da waren. Schon in den ersten Drehtagen staunten wir über die Vielzahl der Perspektiven innerhalb der Familie, wie man Geiseln befreien, den eskalierenden Krieg beenden und einen Weg zur Versöhnung finden könne. Die Gefangenschaft von Liat und Aviv warf Fragen zur Identität jedes einzelnen Familienmitglieds auf, und zu ihren Beziehungen zueinander. Unsere Kamera wurde für jedes Familienmitglied zu einem Gegenüber, dem es sich ehrlich und ohne Vorurteile anvertrauen konnte.
Es war eine besondere Chance, den historischen Moment auf diese Weise durch die Augen einer Familie zu dokumentieren. Aufgrund unserer bereits seit Jahrzehnten vor dem 7. Oktober bestehenden Beziehungen waren wir in der Lage, mit einer Intimität und Tiefe Zeugnis abzulegen, die über das grelle Rampenlicht der Medien hinausging. Wir filmten die Familie in ihren Häusern, in den Hallen des Kongresses und hinter den Kulissen bei Demonstrationen, während sie ins Epizentrum dieser geopolitischen Krise gerissen wurden. Die Geschichte führte uns tief an einen Ort, den wir uns zu Beginn nicht hätten vorstellen können.
Indem wir die persönliche Geschichte einer unmittelbar betroffenen Familie erzählen und wie sie mit den Differenzen untereinander umgegangen ist, hoffen wir, neue Möglichkeiten für ein besseres Verständnis zu eröffnen.
Mehr als ein Jahr nach dem 7. Oktober sind weiterhin Menschenleben in Gefahr: Geiseln werden noch immer festgehalten, zehntausende Palästinenser*innen wurden getötet und die Menschen in der gesamten Region leiden. Unsere Diskussionen über all diese Themen sind nur noch polarisierter geworden, selbst innerhalb von Gemeinschaften und Familien. Indem wir die Geschichte einer unmittelbar betroffenen Familie erzählen und wie sie mit den Differenzen untereinander umgegangen ist, hoffen wir, neue Möglichkeiten für das Verständnis dieses Konflikts zu eröffnen und dazu beizutragen, die unerbittliche Gewalt in der Region zu beenden.
Wir sind uns sehr wohl bewusst, dass dieser Film nur die Geschichte einer Familie von unzähligen anderen ist und dass viele wichtige Geschichten tragischerweise womöglich nie erzählt werden. Wir hoffen, dass das Publikum durch die Widerstandsfähigkeit und Offenheit der Familie sowie durch andere israelische und palästinensische Filme, die für mehr Verständnis sorgen wollen, den Raum findet, vertiefende Fragen zu stellen, um den Weg zu Heilung und Versöhnung zu ebnen.
Brandon Kramer