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Barbara Wurm: Ich habe mir gerade den Film noch einmal angeschaut, und es ist ein, wie man es von dir kennt, offener, tiefbohrender und klarer Film, ein Beziehungsfilm, sehr präzise montiert. Die naheliegende Einstiegsfrage ist natürlich, wie du die beiden kennengelernt hast, und wer von euch wen überzeugt hat, dass daraus ein Film werden sollte?

Ivette Löcker: Als Paar habe ich die beiden in ihrem unfreiwilligen Exil in Bozen kennengelernt. Das war noch zu Pandemiezeiten und kurz vor ihrer Rückkehr nach Wien. Ich hatte Victoria, die Protagonistin, bereits 2017 in Graz auf dem Filmfestival kennengelernt. Ihr Kurzfilm KANTEN wurde zusammen mit meinem Film WAS UNS BINDET gezeigt. Es ist ein wunderschöner konzeptueller Film, der sich mit Fremdsein und Zuhausesein auseinandersetzt. Victoria ist Grafikdesignerin und hat auch künstlerisch gearbeitet. Ich sage „hat“, weil sie in dem Sommer nach unserer Begegnung in Graz ihren jetzigen Mann kennengelernt hat. Als sie sich für diese Beziehung entschieden hat, bedeutete das für sie auch, zumindest bis jetzt, die künstlerische Arbeit in den Hintergrund zu rücken, weil sie für ihrer beider Lebensunterhalt sorgen musste. Victoria hat mich 2020 von sich aus kontaktiert. Sie und Siaka hatten die Idee, über seine Migrationsgeschichte und seine Erfahrungen einen Dokumentarfilm zu machen und fragten mich, ob das ein Stoff für mich wäre. Wir trafen uns am Anfang, pandemie-bedingt, online. In mehreren Zoom-Gesprächen, um uns kennenzulernen. Dabei habe ich gemerkt, dass das, was mich interessiert und berührt, und worüber ich mehr wissen will, nicht so sehr die Geschichte ist, wie Siaka nach Europa kam, sondern wie die beiden als Paar miteinander leben und die ganzen Hürden des Alltags und der Bürokratie meistern. Was sie für ihre Liebe alles in Kauf genommen haben, einfach um zusammenbleiben zu können. Wie sie sich mit der jeweils anderen Kultur beschäftigen. Das fand ich total spannend. Und ich finde auch, dass wir als Mitglieder der weißen Mehrheitsgesellschaft viel zu wenig über diese Art von interkulturellen Beziehungen wissen. Victoria hat sich zunächst eine Bedenkzeit genommen. Es ist keine leicht zu treffende Entscheidung, ein Filmteam in sein privates Leben hineinzulassen. Dahinter steht ja die Frage, wie viel will ich von mir preisgeben? Was davon kann für ein breiteres Publikum erkenntnisreich sein? Wir verabredeten einen Probedreh und konnten uns in der Drehsituation kennenlernen. Ja, und dann haben wir gemeinsam beschlossen, den Film zu machen.

Christiane Büchner: Spannend! Mit einem Paar zu drehen, zumal man die ganze Zeit im Film spürt, dass beide um Deutungshoheit ringen. Es ist interessant, wie du das filmisch konterst. Wie habt ihr das reflektiert?

IL: Zuallererst – wir hatten verabredet, dass ich sie ungefähr ein Jahr mit der Kamera begleite. Zu dem Zeitpunkt war schon klar, dass sie in Italien heiraten und für Siaka Aufenthaltspapiere bekommen und somit nach Wien zurückkehren konnten, in eine mehr oder weniger abgesicherte Lebenssituation. Die Idee des Films war, zu schauen, auf welche neuen Herausforderungen ihre Liebe, ihre Beziehung treffen wird. Vorher hat sie der Kampf, überhaupt zusammenbleiben zu können, stark verbunden. Wird sich jetzt im neuen Alltag in Wien etwas verschieben? Wir haben fünf Drehblöcke festgelegt und gemeinsam überlegt, was passiert gerade in ihrem Leben? Was sind Szenen, die für sie wichtig sind? Wir haben verabredet, dass wir im Film beide Familien kennenlernen, weil ich es wichtig fand, sie auch in ihren unterschiedlichen Herkünften zu verorten und so besser zu verstehen, welche Unterschiede, aber auch welche Gemeinsamkeiten es gibt. Und so haben wir uns dann von Dreh zu Dreh immer wieder damit auseinandergesetzt, was wir gerne drehen möchten. Es ist keine Szene entstanden ohne ihre Einwilligung. Das war ihnen sehr wichtig, auf diese Weise mitzugestalten, und ich hätte auch nichts gedreht, mit dem sie nicht einverstanden gewesen wären.

CB: Es gibt ja auch eine Szene, in der darüber gesprochen wird, welche Rolle die Dreharbeiten für die beiden haben.

IL: Diese Szene war nicht als Auseinandersetzung mit den Dreharbeiten geplant. Wir hatten uns länger nicht gesehen, und ich wollte wissen, was es Neues in ihrem Leben gibt. Siaka war zu dem Zeitpunkt ganz stark damit beschäftigt, dass er durch die österreichische Bürokratie wieder Ungerechtigkeit erfahren hat. Victoria hingegen wollte etwas mehr Leichtigkeit in das Gespräch hineinbringen und von positiven gemeinsamen Entwicklungen erzählen, was seinem Bedürfnis in dem Moment nicht entsprochen hat. Er ist jemand, der sich gerne mitteilt und der möchte, dass wir ganz genau verstehen, was ihn beschäftigt. Da kann er sich nicht zurücknehmen. Er ist dann sehr direkt und emotional und das ist ja auch das Tolle an ihm.

BW: Du reagierst in dieser Situation spontan und offen …

IL: Für mich als Regisseurin war das durchaus eine fragile Situation, weil ich ja nicht wusste, wo läuft das hin? Ich wollte, dass beide die Möglichkeit haben, sich und ihre Gefühle auszudrücken. Ich wollte aber nicht, dass da etwas zwischen ihnen eskaliert. Victoria macht ja dann im Verlauf des Gesprächs sehr deutlich, dass es für sie genug ist und sie nicht mehr gefilmt werden will. Das hatten wir vor den Dreharbeiten auch so abgesprochen, dass ich darauf achte, diese Grenzen nicht zu überschreiten.

Die nicht immer vorhersehbare Dynamik in Gesprächen oder Drehsituationen war ein Spiegel, in dem sich ihre Beziehung neu oder anders dargestellt hat.

CB: Es geht in deinem Film viel um Sprache, wie kann ich ausdrücken, was mich beschäftigt? Und da sind die beiden in einer sehr unterschiedlichen Situation. Wie hast du es geschafft, sie so fein auszubalancieren? Da gibt es zum Beispiel diese Nachbarin mit dem Garten und plötzlich wechselt der Film in eine andere Erzählweise, in der sich Protagonist*innen auch anders ausdrücken können, als über Worte.

IL: Es war mir von Anfang an klar, dass Siaka eine unglaubliche physische Präsenz hat. Man schaut ihm gerne zu, und er kann wahnsinnig viel körperlich ausdrücken, über Mimik und Bewegung. Diese Stärke wollten wir betonen. Wie wir das dann über die unterschiedlichen Szenen – wie eben jener mit der Nachbarin – ausbalanciert haben mit Victorias sprachlicher Eloquenz, das ist in der Montage entstanden. Es war mir und meiner wunderbaren Editorin Esther Fischer wichtig, dass wir sie nicht auf der Ebene von Sprachkompetenz gegeneinander ausspielen. Siaka hat sich zwei Sprachen, Englisch und Deutsch, praktisch selbst beigebracht. Und das war auch Victoria immer wichtig, nicht diejenige zu sein, die ihn übersetzt oder gar korrigiert.

BW: Auch über die Drehorte stellst du eine Balance her.

IL: Genau. Es war mir wichtig, dass wir Siaka in Gambia in einer neuen Rolle sehen, wie souverän er in seiner Muttersprache spricht und auftritt. Ihm ist in Gambia alles vertraut, er kennt sich aus, man schätzt ihn. Das war für mich eine Möglichkeit, ihm noch mal mehr Raum oder einen anderen Raum geben zu können. Und die Szene mit dem Garten und der Nachbarin bildet eine wichtige Linie für diesen Film. Sie ist zufällig entstanden. Siaka und sein Freund begegnen der Nachbarin auf dem Weg in den Garten. Siaka kannte sie vorher schon flüchtig. Sie war bereit, beim Film mitzumachen und die beiden haben sich über das Gärtnern und die Liebe zu den Pflanzen angefreundet, begegnen sich auf Augenhöhe. Mit ihr schlüpft Siaka nochmal in eine neue Rolle, weil sie in ihm ihren „Gärtnerlehrer“ sieht.

BW: Ich wollte noch einmal kurz zurück zu diesem Punkt, wo es so eine fragile oder offene Gesprächssituation ist – Christiane hatte ja das Wort Deutungshoheit verwendet –, wo ich aber eben genau finde, dass das in der Szene sehr schön aufbricht und ganz klar ist, dass diese Hoheit eben niemand hat. Hast du das Gefühl bekommen, von den beiden zu wissen, was du für sie bist? Also ein Messenger für irgendwas, eine Beobachterin oder vielleicht sogar eine Therapeutin oder ein Spiegel?

IL: Keine leichte Frage. Ich glaube am ehesten, ich bin oder war so eine Art Spiegel. Oder vielleicht besser gesagt: Die nicht immer vorhersehbare Dynamik in Gesprächen oder Drehsituationen war ein Spiegel, in dem sich ihre Beziehung neu oder anders dargestellt hat. Ich wünsche mir natürlich, dass sie dadurch auch was Neues und Positives über sich entdeckt haben. Aber der Film ist natürlich auch deshalb entstanden, weil sie von den Schwierigkeiten interkultureller Partnerschaft erzählen wollten. Sie wollten, dass der Film die Botschaft weiterträgt, welche Erfahrungen von Rassismus, von Diskriminierung es gibt, und wie so eine Beziehung durch all diese teils traumatisierenden Erfahrungen belastet ist.

Ich versuchte, meine Position und Privilegien zu hinterfragen und so sensibel wie möglich zu sein. Ich fand es für mich einen wichtigen Erfahrungsprozess, auch mit meinen eigenen Vorurteilen immer wieder konfrontiert zu werden.

BW: Das ist jetzt eine eher theoretische Frage, die im Prozess von Filmfestival-Auswahlpolitik aber eine große Rolle spielt. Das Filmen von Schwarzen Menschen durch Menschen mit weißer Herkunft ist in deinem Film sehr einleuchtend gelöst, dadurch dass es in der Reihe deiner Filme ein weiterer Film ist, der ganz genau hinsieht, was Beziehungen sind und wie sie sein können, welche Zukunft sie haben können. In einer Konstellation wie der von Victoria und Siaka, die in Bezug auf den migrantischen Alltag – er spricht eingangs auf ergreifende Weise selbst darüber – auch körperlich, energetisch eine Herausforderung darstellt.

IL: Mich interessieren gerade Beziehungen, die wenig in den Blick genommen werden. Darum haben wir auch diesen Titel gewählt: UNSERE ZEIT WIRD KOMMEN. Er ist einerseits ein halbes Zitat aus dem Film – sie sagen zueinander „Your time will come“, ein Motto, das in ihrer Beziehung immer wieder vorgekommen ist, um sich gegenseitig zu unterstützen – und der Titel ist auch Statement, Wunsch und Frage zugleich. Es ist Zeit, dass die weißen Mehrheitsgesellschaften interkulturelle Beziehungen respektieren, dass sie normal werden, alltäglich. Warum sind wir noch nicht so weit?

BW: Und das andere ist natürlich, dass klar wird, dass du auch diesem Österreich, diesem Zielland in Europa angehörst, und dich Geschichten gegenüber öffnest, die, wie er ja eingangs sagt, viel zu kurz kommen. Nicht irgendwelche Slogans, sondern eine diffizile und vielschichtige Realität aufzuzeigen.

IL: Meine Filme zeigen zwar private persönliche Beziehungen, aber für mich sind die immer auch politisch – sie sind ja Ausdruck gesellschaftlicher Zustände –, und hier in diesem Film natürlich noch mal ganz besonders. Ich finde es wichtig, dass man wahrnimmt, wie sich diese Erfahrungen, die Schwarze Menschen in unseren Ländern machen, auswirken, wie sie sich in ihre Körper und in ihre Beziehungen einschreiben. Wie marginalisierte, migrantische Menschen oft sozusagen auf der Kippe stehen, und wie viel Stärke sie haben müssen, um zu überleben und ihr Glück zu finden. Es war mir sehr wichtig, das in den Mittelpunkt zu stellen. Ich finde, dass es genau das ist, was politische Fragen aufwirft. Die Schmerzen, von denen Siaka spricht. Die Ignoranz eines Großteils der nicht-migrantischen Mitbürger*innen. Natürlich, ich bin eine weiße Filmemacherin. Ich kann immer nur versuchen, meine Position und Privilegien zu hinterfragen und so sensibel wie möglich zu sein. Ich fand es für mich einen wichtigen Erfahrungsprozess, auch mit meinen eigenen Vorurteilen immer wieder konfrontiert zu werden. Denn wie begegnen wir Schwarzen Menschen? Hätten wir auch angenommen, dass Siaka ein Drogendealer ist, wenn wir ihn da vor dem Wiener Nachtlokal rhiz angetroffen hätten? Diese Vorurteile sind tief in uns eingegraben. Ich wünsche mir, dass man als Zuschauer*in anfängt, diese ganzen Widersprüche auch in Bezug auf sich selbst zu durchdenken.

Wo man dann vielleicht doch keine gemeinsamen Worte findet – oder noch nicht findet: es ist ja alles ein Prozess des gegenseitigen Annäherns. Ich fand es beeindruckend, wie sich alle um diese Verständigung bemühen.

CB: Ich würde gerne da anschließen und dich zu den beiden Familien fragen, die ihr ja auch besucht habt. Die Familien stehen ja einerseits für die Herkünfte der beiden, aber stellvertretend auch für die jeweilige Gesellschaft, aus der sie stammen?

IL: Die Familie von Victoria in Oberösterreich hat Siaka gut aufgenommen. Sie versuchen, sich auf ihn einzulassen, interessieren sich für seine Themen, wollen auch kulturelle Unterschiede mit ihm besprechen, wo man dann aber vielleicht doch keine gemeinsamen Worte findet – oder noch nicht findet: es ist ja alles ein Prozess des gegenseitigen Annäherns. Ich fand es beeindruckend, wie sich alle um diese Verständigung bemühen. Siakas Familie in Gambia ist weit verzweigt. Es war schön zu sehen, wie selbstverständlich Victoria als Teil dieser großen Familie angesehen wird, über die Sprachbarrieren hinweg eingebunden wurde. Die traditionelle Hochzeitsfeier, die Siakas Verwandten für die beiden ausgerichtet haben, ist für mich das Zeichen dafür, dass Victoria als Weiße und auch als Nicht-Muslima von ihnen aufgenommen wurde.

BW: Kannst du die Drehsituation dort beschreiben?

IL: Es war klar, dass wir in Gambia wenig Zeit für Recherche vor Ort haben werden. Ich habe nur einige wenige Drehsituationen vorher festgelegt, wie eben die Hochzeitsfeier und die Vorbereitungen dazu. Dann wollte ich in der früheren Arbeitsstelle von Siaka drehen, eine Schlosserei, wo er mit 10 Jahren angefangen hatte zu arbeiten. Und ich wollte filmen, wie Victoria und Siaka das Grundstück besuchen, das sie vor kurzem gekauft hatten, weil gerade in dieser Situation die gemeinsame Zukunftsutopie sichtbar wird. Ich habe versucht, in allen Drehsituationen so offen wie möglich zu sein und mich auf das einzulassen, was geschieht. Das war nur möglich, weil mein Drehteam, Frank Amann (Kamera) und Ines Vorreiter (Ton), mich in allem unterstützt haben. Und vor allem weil auch wir als Filmteam von Siakas Verwandten und Freunden mit offenen Armen empfangen wurden.

CB: Noch mal eine andere Aufgabe, die dieses Paar auch mitgegeben bekommt: die Hoffnung auf Unterstützung von Seiten der Familie in Gambia.

IL: Auf Siaka lasten großer Druck und viele Erwartungen durch seine Familie. Wir spüren im Film stark, dass er darunter leidet und sich Sorgen macht, wie er dem gerecht werden kann. Er weiß, dass es ohne seine Hilfe vielen schlechter gehen würde. Victoria und Siaka möchten, neben Notfällen natürlich, nachhaltig helfen und unterstützen besonders die jungen Familienmitglieder darin, eine Ausbildung zu machen. Der Zwiespalt bleibt natürlich, dass man von sehr unterschiedlichen Positionen aus agiert. Es ist allen bewusst, dass es nicht die Hoffnung sein kann, dass weitere Familienmitglieder nach Österreich kommen können. Das ist illusorisch, und mit großen Gefahren verbunden. Auch wenn es immer wieder junge Familienmitglieder versuchen.

CB: Jetzt sind Victoria und Siaka ja Eltern geworden. Das sehen wir ja gegen Ende noch im Film. Was hat sich dadurch nochmal verändert?

IL: Ihr Alltag ist natürlich anders und anstrengender geworden. Sie teilen sich die Sorgearbeit auf. Siaka ist jetzt noch in Elternzeit, er hat zum Glück einen Arbeitgeber, der ihn unterstützt. Victoria hat letztes Jahr zusätzlich eine eigene Grafikdesign-Firma gegründet. Die Fragen, die jetzt verstärkt aufkommen, betreffen vor allem die Erziehung der Tochter. Sie wollen auch die Schwarze Identität des Kindes stärken, das mit zwei Kulturen und zwei Sprachen aufwachsen soll.

Sie erarbeiten sich ständig eine gemeinsame Ausgangsbasis für ihren Umgang miteinander, ohne Vorbilder dafür zu haben.

BW: Ich wollte dich noch zur relativ ausführlichen Szene im Wiener Arbeitnehmer*innen Förderungsfonds fragen. Was hat diese Szene für eine Funktion?

IL: Mir war es wichtig zu zeigen, dass Siaka bemüht ist, eine gute Arbeit zu finden, sich zu integrieren, dass er dafür alles tun will. Gleichzeitig wird aber auch in dieser Szene klar, was für eine andere Ausgangsposition er hat. Er hat drei Jahre lang eine Koranschule besucht. Englisch hat er sich auf seinem Weg nach Europa selbst beigebracht. Man kann ihn in dieser Szene nochmal anders einschätzen und gleichzeitig sehen, wie das System funktioniert, auf das er trifft. Es wird deutlich, dass wenn er nicht besser Deutsch lernt, das gesamte Ausbildungsangebot nicht klappen wird. Andererseits wird er, wenn er einen Vollzeitjob annimmt, keine Zeit haben Deutsch zu lernen. Es ist eine schwierige Gemengelage. Es gibt Hilfestellungen von Seiten des Staates, aber ist das genug? Ist das das richtige Angebot?

CB: Hast Du den beiden auch mal Szenen vorgeschlagen?

IL: Ja, doch, das gab es auch. Ist nur nicht im Film gelandet!

CB: Hat es nicht gepasst?

IL: Während unserer Drehzeit gab es in Krems eine Ausstellung über afrikanisches Porträt. Weil Victoria mit Siaka gern auch in Kunstausstellungen geht, habe ich ihnen vorgeschlagen, in Krems einen Besuch zu drehen. Die Aufnahmen sind auch schön geworden, aber es war dann schlussendlich doch diese Art von Regieeinfall, die nicht passte. Sie fanden den Drehort keine schlechte Idee oder so, aber es hat sich doch nicht das herauskristallisiert, was ich mir vorgestellt habe, nämlich dass Siaka Victoria in die (Kunst-)Welt, die ihr nahe ist, begleitet.

BW: Ich wollte das eigentlich vorhin schon fragen, aber das wäre sehr abstrakt gewesen. Jetzt ist es ganz konkret: Gab es noch mehr Linien, die du verfolgt hattest, die dann rausgefallen sind?

IL: Wir haben mit Victoria noch mehr Szenen und Situationen gedreht, in denen sie sich mit Kunst beschäftigt. Wir haben zum Beispiel ihren Besuch im Atelier einer Freundin, die Künstlerin ist, gefilmt. Von dieser Freundin stammen die Bilder, die Siaka und sie in der Wohnung aufhängen. Und wir haben die Probe eines Chors, in dem Victoria singt, gefilmt. Das sind auch alles schöne Szenen geworden, aber in der Montage haben wir dann gemerkt, dass sie gar nicht notwendig sind, um ihren Charakter zu stärken und diesen in Einzelszenen unter Beweis zu stellen.

BW: Ich habe jetzt eigentlich nur noch eine Frage; sie bezieht sich auf den letzten Satz deiner Synopse, der lautet: „UNSERE ZEIT WIRD KOMMEN ist das Porträt einer besonderen Liebe, für die es keine Vorbilder gibt.“ Die Frage ist: Überwiegen für dich die Ähnlichkeiten oder die Unterschiede dieser Beziehung zu anderen, über die du auch schon Filme gedreht hast?

IL: Ich finde beeindruckend, wie die beiden ihre Beziehung leben, weil sie so unterschiedliche Herkünfte haben. Sie erarbeiten sich ständig eine gemeinsame Ausgangsbasis für ihren Umgang miteinander, ohne Vorbilder dafür zu haben. Denn sie können nicht auf das zurückgreifen, was selbstverständlich ist in Beziehungen, wenn wir die gleiche Sprache sprechen, im gleichen Land aufgewachsen sind oder einen ähnlichen Bildungshintergrund haben. Victoria sagt es im Film ungefähr so: Die Herausforderungen, die die Beziehung mit Siaka mit sich bringt, seien es wert. Mit diesem Wissen können sie alles meistern. Jede Beziehung hat ihre eigenen Herausforderungen, und, um auf deine Frage zurückzukommen – wie in meinen anderen Filmen, versuche ich diesen besonderen Herausforderungen nachzugehen, die Protagonist*innen in all ihren Facetten darzustellen und ihnen in ihren unterschiedlichen Wesen nahezukommen.

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