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Bevor ich das Buch „Till varmare länder“ von J. P. Jersild gelesen hatte, das mich zu diesem Film inspiriert hat, war mir nicht klar, wie aktuell diese Geschichte sein würde. Nicht nur in Bezug auf die darin behandelten gesellschaftlichen Aspekte oder die suggestiven Beschreibungen der Orte und der Realität. Sondern vielmehr im Bezug auf eine Einstellung dem Leben gegenüber, die nicht nur bei Filmschaffenden, sondern auch im echten Leben häufig keine Beachtung findet. In den vergangenen zwei Jahren, als die alltägliche Geschäftigkeit immer mehr abnahm, wurde mir klar, dass es deutlich mehr Menschen gibt, die den Figuren in unserem Film ähneln, als ich erwartet hatte.

Ewa, eine der Hauptfiguren des Films, ist Übersetzerin und gibt privaten Englischunterricht, um über die Runden zu kommen. Es ist kein einfacher oder lukrativer Job. Sie lebt allein, hat aber eine enge Verbindung zu ihrer Familie. Sowohl ihre Eltern als auch ihre Schwester behandeln Ewa herablassend, als weniger erfolgreiche Tochter und hilflosere Schwester. Eines Tages erhält Ewa ein Paket mit einem Notizbuch von ihrem Ex-Partner Eryk.

Eryk ist von der Universität geflogen. Er hat während des Unterrichts persönliche Gedanken vorgelesen und Student*innen provoziert. Damit hat er weder die Erwartungen der Student*innen noch seiner Arbeitgeber*innen erfüllt. Nachdem er seinen Job an der Universität verloren hat, beschließt er, eine Reise zu machen. Sein Freund Olle begleitet ihn dabei.

Wie wir aus den Einträgen in seinem Notizbuch erfahren, gibt es keinen wirklichen Plan für diese Reise. Das Ziel liegt irgendwo an einem Ort namens „der brennende See“, der nur aus der Literatur bekannt ist und als weit entfernt und sogar unwirklich beschrieben wird.

Die Protagonist*innen teilen ihre Begeisterung für Prosa, was sehr wichtig ist, um ihr Verhalten zu verstehen. Die Wahrnehmung der Realität über Literatur macht sie noch mehr zu quichottischen Figuren.

Im Film wird Eryks Notizbuch zur Inspiration für diese Geschichte. Ewa berichtet uns als Erzählerin und Reiseleiterin von diesem Trip. Gleichzeitig folgt sie selbst der Geschichte im wörtlichen Sinne und unternimmt eine einsame Reise an die Orte, über die sie liest. Sie tut dies nicht, um ihren ehemaligen Geliebten zu finden, sondern um Teil der beschriebenen Welt zu werden. Ewa wie auch Eryk befreien sich von sozialer Kontrolle und Verantwortung und von gesellschaftlichen Pflichten.

Warum?

Sie lehnen es ab, Teil einer Welt zu sein, in der Stabilität durch Arbeit, Geldverdienen und das Erfüllen gesellschaftlicher und familiärer Erwartungen als höchstes Gut gilt. Beide werden als introvertierte Verlierer und Versager wahrgenommen, die irrationale, überraschende Entscheidungen treffen. Ihre Begeisterung für Prosa ist sehr wichtig, um ihr Verhalten zu verstehen. Die Wahrnehmung der Realität durch Literatur macht sie noch mehr zu quichottischen Figuren. Mit Hilfe der Literatur schaffen sie sich ihre eigene Welt. Sie sind über die gemeinsame Geschichte miteinander verbunden.

Mit seiner Reise zum „brennenden See“ zieht sich Eryk aus dem wirklichen Leben zurück. Doch es ist auch Eryk, der in seinem Notizbuch schreibt: „Wir haben den Weg nicht aus den Augen verloren“, womit er alle Figuren des Films und alle Zuschauer*innen meint, die sich mit ihnen identifizieren können. Dadurch erhalten die Entscheidungen eine gewisse Absicherung, auch wenn sie die Lebenswege immer zielloser werden lassen. Für seine Reise und seine Geschichte wird es eine Fortsetzung geben.

Anka Sasnal

Übersetzung: Kathrin Hadeler

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