Geldknappheit kann alles zum Erliegen bringen. Jede Bewegung fällt einem dann schwer, und man kann an nichts anderes mehr denken. Der Geldmangel und die Unentbehrlichkeit von Geld bestimmen den Ablauf ganzer Tage. In Park Song-yeols zweitem Spielfilm NAJENEUN DEOPGO BAMENEUN CHUPGO (Hot in Day, Cold at Night) geht es ausschließlich um Geld – weil es den beiden Hauptfiguren an allen Ecken und Enden daran mangelt. Young-tae (gespielt von Park selbst) und Jeong-hee (gespielt von Won Hyang-ra, der Produzentin und Co-Autorin des Films) sind ein Paar. Sie suchen verzweifelt nach Jobs, um sich über Wasser zu halten. Überall lauern Fallstricke: Schneeballsysteme, Kredithaie, skrupellose Freund*innen, die auch in der finanziellen Klemme stecken. In einer rührenden Szene am Anfang des Films versucht das Paar, Pläne für seine berufliche Zukunft zu schmieden. Young-tae lächelt, runzelt die Stirn, lächelt, runzelt die Stirn, und seine Frau erwidert sein Lächeln zaghaft. Man spürt das Gewicht, das auf den Schultern der beiden lastet. Immerhin sind sie zu zweit. Wenn der Film nicht so leichtherzig erzählt wäre, wäre er zum Verzweifeln. Es ist bemerkenswert, dass Park aus der Geschichte dieser beiden Menschen, die in der Gig Economy zu überleben versuchen, eine Komödie gemacht hat, wenn auch eine düstere.
Mittel und Wege
Der Film erzählt weniger von der Suche eines Paars nach Arbeit als von dessen Bemühungen, seine Schulden in den Griff zu bekommen. Obwohl sich die beiden ihre Lage nicht offen eingestehen, ist es so ernst, dass sie nicht mehr weiterwissen. Und so verwundert es auch nicht, dass ein intimer Moment zwischen den beiden im Verlauf des Films immer unwahrscheinlicher wird; der ökonomische Druck, mit dem sie ganz verschieden umgehen, steht zwischen dem Paar. Young-tae verleiht seine noch nicht abbezahlte Kamera an einen Freund, der behauptet, er wolle damit Kindergeburtstage filmen. Immer wieder redet er sich heraus, um Young-tae die Kamera nicht zurückgeben zu müssen. Die Konsequenz: Young-tae muss weiter Ratenzahlungen für etwas leisten, das ihm womöglich weggenommen wurde.
Jeong-hee wiederum, die genau weiß, wie ernst die Situation ist, will einen Privatkredit aufnehmen. Die wenig vertrauenerweckenden Kredithaie, auch ein Paar, treffen sich mit Jeong-hee in einem Auto – ein vortrefflicher Ort, um jemanden in die Falle zu locken. Die Szene wirkt so bedrohlich wie absurd. Weder beherrschen die beiden die aalglatte Freundlichkeit von Bankangestellten, noch sind sie so angsteinflößend wie richtige Kriminelle. Gemessen an ihrer Kleidung und ihrem Verhalten wirken sie wie ein bürgerliches Ehepaar und nicht wie ein ausgebufftes Verbrecherduo, das sich in rechtlichen Grauzonen auskennt. Um Jeong-Hee besser in die Augen sehen zu können, schiebt der Mann seinen Sitz immer wieder vor und zurück, bis er schließlich die Kopfstütze abnimmt. Sein Dilettantismus torpediert die Aura der Bedrohlichkeit, die für seinen Job notwendig ist. Und genau das scheint der Punkt zu sein: Kredithaie müssen ihren Job nicht gut machen, solange es Menschen gibt, die noch verzweifelter sind als sie selbst.
Geld, ein Mysterium
Schon lange ringen Filmemacher*innen mit der Frage, wie die Arbeiter*innenklasse, das Prekariat, die sogenannten Abwärtsmobilen dargestellt werden sollten – all jene Menschen also, die in die Kategorie „unvermögend“ fallen und so gut wie nie mitentscheiden dürfen, ob Filme gemacht werden und wie sie aussehen sollen. Wie sprechen diese Figuren? Wie werden sie erzählt? Positiv oder negativ? Werden Klischees bedient? Auch formale Aspekte spielen in diesem Zusammenhang eine Rolle. Das erzählende Kino hat in der relativ kurzen Zeit seines Bestehens ein umfangreiches Instrumentarium entwickelt. Vieles davon ist, auch außerhalb von Blockbuster-Produktionen, äußerst kostspielig. Geld ist ein Mysterium, im Leben wie beim Film. Kaum hat man angefangen, den Dreh vorzubereiten, schon schwinden die Mittel. Parks Filme entstehen ausgehend von dem, was ihm zur Verfügung steht. Mit fixen Kameraeinstellungen und unter Mitwirkung weniger Schauspieler*innen öffnet er den Raum für eine genau beobachtete Komödie mit Slapstick-Elementen statt schnellen Schnitten.
Park lässt seine Filme ausgehend von dem entstehen, was ihm zur Verfügung steht. Mit fixen Kameraeinstellungen und unter Mitwirkung weniger Schauspieler*innen öffnet er den Raum für eine genau beobachtete Komödie mit Slapstick-Elementen statt schnellen Schnitten
Auf diese Weise ist ein wellenförmig verlaufender, episodischer Film entstanden, der allerdings nicht zur Pikareske wird, dafür müsste Jeong-hee oder Young-tae teuflischer und gerissener sein. Die einzelnen Episoden sind zudem viel zu lebensnah erzählt. Die Figuren bewerben sich auf Jobs, suchen nach Jobs, warten. Sie versuchen ihre Würde zu bewahren, aller Notwendigkeiten, die das Leben mit sich bringt, zum Trotz. Geschrei und Verrat provozieren bei Park keine dynamischen Wendungen, er erzählt weniger in großen Umschwüngen als zurückhaltenden Variationen. Das Gewicht des Lebens nimmt zu. So wie das Gewicht der Beleidigungen und Beschimpfungen, die den beiden sowohl von Kund*innen als auch potenziellen Ausbeuter*innen entgegengeschleudert werden. Jeong-hee und Young-tae sind keine Held*innen der Arbeiterklasse, die die Welt auf den Kopf stellen wollen. Sie versuchen lediglich, sich durchzuschlagen, sich ein gemeinsames Zuhause aufzubauen, was manchmal noch schwieriger zu sein scheint als alles andere. Was die beiden tun, ergibt nicht immer Sinn, aber Parks Geduld zahlt sich aus. Als Jeong-hee von ihrer Mutter gefragt wird, warum sie sie nicht um Hilfe gebeten hat, beobachtet die Kamera, wie die wortlose Tochter einfach nur dasitzt. In ihrem Gesicht meinen wir erkennen zu können, was die Frage in ihr auslöst. Etwas, das erschütternder ist als jede erdenkliche Antwort.
Am Ende muss Young-tae eine Entscheidung treffen. Keine weitreichende Entscheidung, aber sie bietet ihm die Gelegenheit, dafür zu sorgen, dass endlich wieder etwas geschieht, etwas in seinem Sinn. Der Film hat einen langen Atem, er gibt Young-tae alle Zeit der Welt, sich zu entscheiden. Als es schließlich so weit war, musste ich lachen, und gleich darauf blieb mir das Lachen im Halse stecken. Wie bitter – bitter wie so vieles heutzutage.
Blair McClendon ist Schriftsteller, Redakteur und Filmemacher und lebt in New York.
Übersetzung: Gregor Runge