Mein Bruder ist dreizehn Jahre älter als ich und war für mich immer ziemlich schwer zu fassen. Ich erinnere mich daran, wie er zu uns nach Hause kam und gegenüber von meinem Zimmer im Gästezimmer schlief. Ich öffnete leise die Tür, spähte hinein und staunte darüber, wie groß seine Schuhe waren. Für mich war er ein großer Fremder, ein grüblerischer Riese mit dunklen Augen, die von einem dunklen Pony verschattet waren. Seine Herkunft entzog sich mir. Er ließ sich sporadisch bei uns blicken.
Später, als ich älter war, besuchte ich ihn mit meiner Mutter im Gefängnis. Wir umarmten uns, unterhielten uns, und um so etwas wie Gemütlichkeit aufkommen zu lassen, tranken wir Tee, aßen Schinken-Ei-Sandwiches, Schokoriegel und andere Süßigkeiten. Ich bewunderte seine Tattoos, seine neuen Turnschuhe und Goldzähne. Er erzählte uns, dass er für seine Gefängnisfreunde kochte: Curry, in einem Wasserkessel. Ich weiß noch, wie stolz ich war, der kleine Bruder dieses Mannes zu sein, und trotzdem war ich immer schrecklich traurig, wenn wir das Besucherzentrum wieder verließen. Es war tragisch, sich verabschieden zu müssen, wieder hinauszutreten ins graue Tageslicht eines Parkplatzes irgendwo in Norfolk, und den eigenen Bruder, der jetzt wieder in seine Zelle musste, zurückzulassen.
Neunmal war mein Bruder in Haft. Ich habe ihn des Öfteren besucht, aber sicher nicht oft genug. Das ist traurig, und trotzdem hoffe ich, dass ich dieses Versäumnis nicht durch weitere Besuche wiedergutmachen muss. Denn im Idealfall kommt mein Bruder für den Rest seines Lebens nie wieder ins Gefängnis. Andererseits, woher will man das so genau wissen? Niemand entscheidet sich einfach dafür, nicht wieder ins Gefängnis zu müssen. Menschen werden rückfällig, aus verschiedenen Gründen.