Das Internationale Forum des Jungen
Films ist ein selbständiger Teil der Internationalen Filmfestspiele
Berlin. Es gehört zu den angesehensten Festspiel-Veranstaltungen in
Europa und der Welt, die sich dem unabhängigen, experimentellen oder
alternativen Film widmen. Das Forum wird im Rahmen der Berliner Filmfestspiele
von den Freunden der Deutschen Kinemathek e.V. in eigener Verantwortung
veranstaltet.
1971 ging das Forum aus einer Krise der
Berliner Filmfestspiele hervor. Eine Einrichtung wurde gesucht, die sich
neuartigen Filmgenres, dem Kino als Laboratorium oder dem Kino der Zukunft
widmen sollte. Den Auftrag dazu übergab man den "Freunden der Deutschen
Kinemathek".
Das Forum ist inzwischen zu einem unverzichtbaren
Teil der Berliner Filmfestspiele mit eigener Zielsetzung und eigenem Profil
geworden, das hohes internationales Renommee gewonnen hat.
Zielsetzung: Das Forum stellt Filme
in den Mittelpunkt, die sich durch eine experimentelle filmische Form auszeichnen,
die Stilmittel des Kinos weiterentwickeln, zeitgenössische Erfahrungen
reflektieren oder neue Horizonte erschließen. Dazu gehören alle
Genres, Stilarten und Formate des Kinos. Wir suchen Filme, die aufregen,
stimulieren, zum Nachdenken anregen, eine Dikussion erzeugen.
Mit "jungem Film meinen wir nicht notwendigerweise
Filme von jungen Regisseuren (obwohl auch diese einen Schwerpunkt im Programm
des Forums bilden), sondern neuartige, ungewöhnliche Filme. Deshalb
und zur Vermeidung von Mißverständnissen nennen wir das Forum
im Englischen "International Forum of New Cinema".
Profil: Zu den Prinzipien des Forums
gehört es, die Filme nach der Vorführung im Kino mit den Zuschauern
zu diskutieren, ausführliches Informationsmaterial zur Verfügung
zu stellen und im Anschluß an das Festival auch für den Verleih
der Filme zu sorgen. Die Filme sollen nach dem Festival nicht verschwinden,
sondern weiterhin im Bewußtsein lebendig bleiben. Dazu bieten die
Freunde der Deutschen Kinemathek ihre Mithilfe an. Seit 1971 haben die
Freunde eine umfangreiche Sammlung von Forums-Filmen zusammengetragen,
die im Rahmen von Verträgen für Kommunale Kinos, Goethe-Institute,
Kultureinrichtungen und Festivals zur Verfügung stehen.
Auswahl: Bei der Auswahl der Filme
werden jene Beiträge bevorzugt, die noch nicht auf anderen Festivals
gezeigt worden sind. Dokumentarfilme sind ebenso zugelassen wie Spielfilme
oder Filme anderer Genres. Die Filme sollen eine Mindestlänge von
60 Minuten besitzen und dürfen in Deutschland noch nicht im Kino oder
im Fernsehen gezeigt worden sein. Die Filme werden von einer Auswahlkommission
in Berlin sowie auf Auswahlreisen ausgesucht.
Kinos: Die Filme des Forums werden
in fünf verschiedenen Spielstellen in Berlin gezeigt: dem Delphi-Kino
mit 850 Plätzen (die Vorführungen dort mit den anschließenden
Diskussionen sind besonders beliebt), in einem Presse-Kino im Zoo-Palast
(370 Plätze), im Arsenal (175) und in der Akademie der Künste
(540) sowie zu einem Teil auch im Babylon/Zeughaus (200) in Berlin-Mitte.
Jedes Kino hat seinen eigenen Besucherkreis. Im Delphi zeigt das Forum
sein Hauptprogramm mit täglich vier Filmen, dazu kommt eine thematisch
definierte Sonderreihe am Vormittag und einige Filme, die um Mitternacht
gezeigt werden. Die Filme des Hauptprogramms werden in den anderen Kinos
wiederholt. Original-Videos kommen im Arsenal-Kino zur Vorführung
(als Videoprojektion); der vom Forum ausgesuchte Teil der Reihe "Neue Deutsche
Filme" (die das Forum gemeinsam mit dem Wettbewerb veranstaltet) läuft
in der Akademie der Künste (sowie, für Akkreditierte, in einem
weiteren Kino).
Information: Die Filme des Forums
werden durch eine Informationsbroschüre (Format A5), sowie durch einen
Katalog dokumentiert, in dem jeder Film mit einer oder mehreren Seiten
(Format A4) vorgestellt wird. Broschüre und Katalog sind zweisprachig
angelegt (deutsch und englisch). Darüberhinaus publiziert das Forum
sein Programm auch im Internet (unter der Adresse
http://www.fdk-berlin.de/).
Resonanz:
"Das Internationale Forum, immer noch das
wichtigste Nebenprogramm der Berliner Filmfestspiele, ist für die
Neugierigen unter den Cineasten schon seit Jahren zu deren Hauptprogramm
geworden." (Peter W. Jansen)
"Das Forum ist nach wie vor eine der international
wichtigsten Plattformen für unabhängige Produktionen, die sich
nicht bloß oder in erster Linie als erfolgversprechende Massenprodukte
am Kinomarkt verstehen... Das Forum ist unentbehrlich für die Wahrnehmung
der Vielstimmigkeit an filmischen Ausdrucksformen." (Robert Richter)
"Cineasten, die sich während der 10tägigen
Mammutveranstaltung mit der Absicht tragen, innovative Filme zu entdecken,
sind wie alle Jahre eher beim Internationalen Forum an der richtigen Adresse."
(Josef Lederle)
"Das internationale Forum des Jungen Films
erfüllt jene Aufgaben, die allein die sich rapide vermehrenden Filmfestivals
und erst recht öffentliche Subventionen rechtfertigen: jene Spielarten
der Filmkunst zu präsentieren, die - aus unterschiedlichen Gründen
- im kommerziellen Betrieb keine Chance haben und im Fernsehen, wenn sie
denn dahin gelangen, ihre Wirkung nur begrenzt entfalten können."
(Thomas Rothschild)
Das Forum bisher - Highlights
Das Programm des Forums aus den siebziger
und achtziger Jahren spiegelt die Entwicklungslinien des internationalen
Kinos im Bereich der unabhängigen Produktion wider. Verschiedene Regisseure,
die im Forum ihre ersten Filme zeigten, fanden später breite Anerkennung.
So waren Raoul Ruiz, Derek Jarman, Peter
Greenaway Stamm-Regisseure des Forums; der frühe Schweizer Film (Tanner,
Soutter) sowie die Regisseure Allio, die Tavianis; Jean-Luc Godard war
häufig vertreten sowie Jean Eustache mit seinem Meisterwerk LA MAMAN
ET LA PUTAIN; Jacques Rivette präsentierte 1973 in einer Weltpremiere
seinen 4 1/2 stündigen Film OUT ONE SPECTRE, auf besondere und seltene,
vielleicht auch schwierige Filmwerke wie dieses hat sich das Forum vor
allem spezialisiert.
Das Forum hat stets eine besondere Verpflichtung
gegenüber der Geschichte empfunden und deswegen immer wieder
Filme über die deutsche Vergangenheit, das Naziregime und den Holocaust,
aber auch über Diktaturen in anderen Ländern (so den Stalinismus)
gezeigt. Wichtigstes Beispiel in der Geschichte des Forums unter den Filmen
dieser Thematik war Claude Lanzmanns SHOAH, aber auch LODZ GHETTO Alan
Adelson), PARTISANS OF VILNA (Josh Waletzky und Aviva Kempner), Marcel
Ophuls' HOTEL TERMINUS oder Erwin Leisers PIMPF WAR JEDER.
Generell hat das Forum auch Filme von ungewöhnlichen
Dimensionen bevorzugt, so TAIGA von Ulrike Ottinger, 8 Stunden 21 Minuten;
SATANTANGO, von Béla Tarr, 7 Stunden 16 Minuten.
Zu den deutschen Regisseuren, die mit ihren
Werken im Forum präsent waren, gehören Rudolf Thome, Ulrike Ottinger,
Jutta Brückner, Hans-Jürgen Syberberg, Helma Sanders-Brahms,
Rosa von Praunheim, Werner Schroeter, Wim Wenders, die Dokumentaristen
Rolf Schübel, Klaus Wildenhahn und Helga Reidemeister; zwei Filmemacherinnen
waren 1978 gleichzeitig mit ihren Erstlingsfilmen im Forum vertreten: Margarethe
von Trotta und Helke Sander.
Geographie: Nachdem das Forum in
den siebziger und achtziger Jahren seine Akzente auf das europäische
bzw. osteuropäische Kino sowie die US-Independents, Lateinamerika
und den internationalen Avantgardefilm setzte, folgte in den späten
achtziger und neunziger Jahren verstärkt die Entdeckung des unabhängigen
Kinos der asiatischen Filmländer wie Taiwan, Japan, Hongkong, Korea,
Indien (zweimal gab es eigene Panoramen des indischen Kinos), Singapur,
Thailand, Burma, Indonesien.
Die Liste der Filmemacher, die durch
das Forum bekanntgeworden sind, deren Filme in Berlin zu Ereignissen wurden,
ist - neben den schon genannten Namen - lang und kann nur in Auszügen
zitiert werden:
Deutschland: Winfried und Barbara
Junge, Volker Koepp, Helke Misselwitz, Fred Kelemen, Erwin Leiser, Ula
Stöckl, Wim Wenders, Gordian Maugg, Alexander Kluge, Edgar Reitz,
R.W. Fassbinder, Romuald Karmakar, Herbert Achternbusch, Werner Schroeter,
Andres Veiel
Ost- und Mittelleuropa: Krzyzstof
Kieslowski, Gabor Body, István Szabó, Wassilij Schukschin,
Andrej Tarkowskij, Otar Iosseliani, Sergej Paradshanow, Alexander Sokurow,
Sergej Bodrow, Lucian Pintilie, Bachtiar Chudonasarow, Konstantin Lopushanski
Westeuropa: Jacques Rivette, Chantal
Akerman, Aki und Mika Kaurismäki, Olivier Assayas, Derek Jarman, Leos
Carax, Jean Rouch, Robert Kramer, Manoel de Oliveira, Edgardo Cozarinsky,
Raymond Depardon, Claire Denis, Ken Loach, Mike Leigh, Gianni Amelio, Claude
Lanzmann, Marcel Ophuls, Richard Dindo, Clemens Klopfenstein, Pappi Corsicato
Lateinamerika: Jorge Sanjinez, Carlos
Diegues, Nelson Pereira dos Santos, Eliseo Subiela, Fernando Solanas
Afrika: Ousmane Sembène,
Safi Faye, Djibril Diop Mambety, Souleymane Cissé, Gaston Kaboré
Asien: Mrinal Sen, Buddhadeb Dasgupta,
Hou Hsiao-hsien, Edward Yang, Stan Lai, King Hu, Wong Kar Wai, Chen Kaige,
Shinsuke Ogawa, Ning Ying
USA/Kanada: Jim Jarmusch, Atom Egoyan,
Tom DiCillo, Todd Solondz, Yvonne Rainer, Frederick Wiseman, Don Alan Pennebaker,
Jon Jost, Michael Snow
Australien: Jane Campion
Folgende Preise werden für
Filme des Internationalen Forums des Jungen Films vergeben:
Wolfgang-Staudte-Preis (DM 20.000), Caligari-Filmpreis
(DM 5.000), Preis der Leserjury der Berliner Zeitung (DM 5.000), FIPRESCI-Preis
der Internationalen Filmkritik, Netpac Award (Netpac=Network for the Promotion
of Asian Films), Preis der Ökumenischen Jury, CICAE-Preis (DM 5.000),
Friedensfilmpreis (DM 10.000)
Präsentationen auf anderen Festivals
Das Forum wurde bereits von zahlreichen
Institutionen, Archiven und Festivals eingeladen, eine Auswahl seines Programms
zu zeigen. Forums-Hommagen bzw. Retrospektiven fanden an folgenden Orten
statt:
Cinémathèque Française,
Paris; Cinémathèque Royale de Belgique, Brüssel; Filmoteca
Espanola, Madrid; Filmoteca de Catalunya, Barcelona; Filmmuseum Moskau
(Retrospektive 1995 mit 70 Filmen bzw. 40 Programmen), Filmpodium Zürich,
Filmfestival Singapur, Europäisches Filmfestival Athen, Kurzfilmfestival
in Grimstadt/Norwegen, Ungarisches Filminstitut/Budapest, Filmoteca in
Mexico City u.v.a. Für 1997 und 1998 sind Aufführungen von Forums-Filmen
in Tbilissi/Georgien, Rio de Janeiro, Mailand und New York in Vorbereitung. |